Montag, 6. Februar 2012

Schlaflos in Waga und wie tönt Krieg?

Unruhige Stunden. Dramatischer Wetterumschwung. Es knirscht im Gebälk, Türen schlagen auf und zu, es zieht durch sämtlichen Ritzen, Löcher, undichten Fenster, Türen. Er - Monsieur Harmattan - zeigt seine Zähne. Die ganz Nacht bläht er seine Backen, peitscht ohne Unterbruch Wüstensand über's Land, wirbelt, zwirbelt, spielt Böen gegeneinander aus. Selbst unser Hausgecko bleibt lieber - trankil - in seiner Villa, unserer aussser Kraft stehenden Klimaanlage. Schlaflos in Waga. Um 4 Uhr der erste Weckruf und ab 5 Uhr ruft der Muezzin zum Gebet auf. Endlos gedehnte Vokale,  preisen Allah al akbar. Dazwischen kräht ein Hahn, startet ein Chauffeur seinen stinkenden 40-zig Tönner, jodelt sich unser Quartierrudel Basenji in den Tag. Ca bouge.
Harmatten en Ouaga
 Das Aufstehen macht keine Freude. Der Feinstaub hat sich überall festgesetzt. Einmal die Nase schnäuzen und rot ist das Tuch. Die staubgeschwängerte Luft ist deutlich kühler. Aber nicht nur der Muezzin ruft, le boulot ebenso. Auf dem Weg zum l'espace Gambidi wähnen wir uns im tiefsten Nebel. Kein Himmel, Sichtweite 10 Meter und ein bisschen mehr. Dafür eine Feinstaubbelastung, die in unserer properen Schweiz sofort im Minimum zu zehn Anfragen im Parlament führen würde ...
Hier kaufen sich die Burkinabées, die es sich leisten können Gesichtsmasken (chinesische) oder binden sich Tücher um den Kopf. Beurre de karité schützt vor den Austrocknen der Nasenschleimhäute und ist überhaupt und ohne  Fragen oder Zweifel eine Universalcrème. Und allen Frauen sehr zu empfehlen.
Unser Schauspieltruppe steht trotz misslicher, staubiger Anreise - sie kommen per Moto oder Velo, nicht wenige fahren rund 45 Minuten von A nach Gambidi - pünktlich auf der Matte.
Wir, das heisst le metteur en scéne, la dramaturge et la choréograph Adjara sind heute gespannt auf die Vorschläge der Musiker. Dembele Mabrou und Konate Si Béma spielen traditionelle westafrikanische Instrumente wie N'goni, Balafon, Djembe, Bara, Tamani.
Sie hatten zwei Wochen Zeit, sich zu den einzelnen Szenen Musikstücke, Klangteppiche oder Ambiente auszudenken.
Balafon

Konkret wäre das: Einlassmusik. Was wird gespielt wenn das Publikum - in Scharen, Inshallah - ins Theater C.I:T.O strömen wird? Und wie wird der Krieg von Szene 1 tönen? Maschinengewehre, Grananteneinschläge, Raketenabschüsse. Welches Lied wird zur Ankunft der Frauen im maison de la femme gespielt? Und bei der Besetzung der poudrière (Waffenarsenal). Und und und, jede einzelne Szene braucht Klang, Musik, Ambiente. Musik transportiert Emotionen, Stimmungen, unterstützt, legt vor, legt auf, regt an, heizt auf und lässt die Hüften kreisen ... im besten Fall. Wir sind noch nicht im besten Fall. Und wir stellen fest, dass es gar nicht so einfach ist unsere musikalischen Wünsche umzusetzten. Oder haben wir uns nicht klar ausgedrückt? Und stellen weiter fest, dass es für Adjara auch nicht einfacher ist, obwohl sie sich mit den Musikern in Morée unterhalten kann. Auf die Nachfrage, ob die beiden das Stück gelesen haben, werden wir darüber aufgeklärt, das Lesen (französisch) gar nicht geht. Aha. D'accord. Kurz bin ich irritiert. Dabei weiss ich doch, dass rund 60% der Bevölkerung von BF nicht Lesen und Schreiben kann. Und jetzt? Wir diskutieren nochmals alles durch und on verra le mercredi. Musik transportiert Emotionen.
In der Zwischenzeit haben sich die Schauspielerinnen und Schauspieler aufgewärmt und wir beginnen mit den Proben. Alltag in Waga.

Gewehrsalven? Kriegsgeräusche?


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