Montag, 13. Oktober 2014

Top – c’est parti - YENNENGA fliegt

Der Gin ist getrunken, die Karawane zieht weiter. Und wir ziehen mit. Wir ziehen um, wir treiben um, wir werden Himmel und Hebel in Bewegung setzten, damit wir  weiterhin im Rennen bleiben.  Denn unser Herzblut pocht für das Theater, et alors, ou bien, c’est quoi ça?

Sie haben es geschafft! Und wie. Einmal mehr haben mich die Schauspieler und Schauspielerinnen überrascht. Staunend haben wir an der Premiere zugeschaut, wie die Akteure das Spiel in die und die Zuschauer an die Hand genommen haben. Wie sie endlich zu ihren Figuren, zum Text, zum Rhythmus gefunden haben. Sicher alle Schauspieler dieser Welt brauchen Publikum, aber afrikanische Schauspieler mit Publikum, das ist eine Klasse für sich.  Wer das Glück hat Theater vor Ort, in Afrika mitzugestalten, mitzudenken – inklusive Momente des Zweifels, des Nichtverstehens –
der weiss wovon ich rede. Ich nenne es die Liebe zum Metier.  Theater für die Welt, die Welt als Theater. Es ist und bleibt eine grosse Liebe, das Theater. Ich habe es einmal mehr erleben dürfen, diesem Geschenk des Augenblicks, dieser Spielfreude, der Hingabe beizuwohnen. Auf der anderen Seite das Publikum. Kein verwöhntes, kein abgeklärtes, ein aufmerksames, mitgehendes, sich einlassendes. Frauen und Männer, trés bien sappé, herausgeputzt als gälte es dem Nobelpreiskomitee beizuwohnen, Kinder, Jugendliche, Studierende, Minister, Botschaftsangestellte, Chargen aller Stände und immer auch Menschen aus Europa. Schön. Et bien la presse, die Kritikergilde. Ton, Bild, Schrift alles war da.


Und Thierry, dieser junge burkinabé Autor, um denn wir gekämpft haben – Thierry ne peut pas écrirer une pièce du théâtre, non il peut pas ...(O-Ton des Direktors des CITO) – der nach den ersten Proben um seine Adaptation fürchtete, der seine Zweifel an der Inszenierung äusserte, dieser Thierry, dem wir um jeden Preis diese Chance gewähren wollten – wie sonst sollen junge Autoren und Autorinnen (die Minderheit in der Minderheit) Erfahrungen und –  allenfalls Lorbeeren – sammeln – just dieser Thierry und der Regisseur fielen sich nach der Premiere in die Arme und ... heulten. Eine Szene, wie sie das Leben schrieb. Zum Heulen schön.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Merde à vous - l'ouverture de L'OR DE YENNENGA und eine gröbere Verstimmung

Merde à vous - heisst das Äquivalent zu unserem TOI TOI TOI für Theater Premièren.
Heute lassen wir sie ziehen, unserer Crew, mit dem Stück L'OR DE YENNENGA.
Die letzen Tage waren intensiv. Immer wieder erneuern, verbessern und verdichten. Jetzt kann sich das Stück sehen lassen. Selbst das vermaledeite Wetter war uns hold. Jeden Tag konnten wir  - mit Publikum - eine Fillage durchführen. Ab heute liegt das Stück in den Händen der Schauspieler und Schauspielerinnen, wir haben unsere Arbeit getan - das Publikum darf übernehmen.
Wir sind gespannt und voller Vorfreude.



Auf gutes Gelingen - Sacrifice gemacht, das heisst an 24 Bedürftige je einen Sack mit Lebensmitteln verteilt.

Yennenga, die Amazone


Bionlé, der Fetisch soll verhökert werden


Not macht erfinderisch, Proben für die Touristenattraktion

Hier hilft nur noch Hochprozentiges

Weniger Freude hat uns heute eine Nachricht aus der Heimatstadt bereitet. Die Theaterkommission der Stadt Zürich wird unser neues Stück - vorgesehen für Herbst 2015 im Rahmen unseres Festivals "Pas de Probléme" nicht unterstützen. Merde à nous, kann man hier sagen. Wir sind konsterniert, frustriert und irgendwie auch kastriert. Was soll man da noch gross schreiben? Ich trinke Gin Tonic und lasse mich langsam aber sicher in eine gröbere Verstimmung gleiten … Der Rest ist Schweigen, die Gedanken sind frei und alles andere ist mehr als Unhöflich.

In die Zukunft gepisst - was nun?

In einer Stunde werde ich unserer Première beiwohnen und später mit Gin Tonic meine Seele tränken. Gingin.
Wir machen Theater Ouagadougou - Zürich.


Dienstag, 7. Oktober 2014

Keine schlaflosen Nächte in Ouagadougou

Die Regensaison macht uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Von fünf Durchgängen mussten wir bisher vier unterbrechen, weil heftige Gewitter ein Weiterproben verhinderten. Und  aus einem vermeintlich properen Zeitplan, ohne Stress et quoi, quoi, quoi, sind wir plötzlich un peu en retard. Pas grave, mais ... Denn noch fehlt unserem Stück der Rhythmus, fehlt der Esprit, fehlt die Seele und von den Schauspielern haben noch nicht alle ihre Figur gefunden, von der Musik ganz zu schweigen. Ich habe das Gefühl – und es täuscht mich selten – dass der gute Mann immer wieder die gleicht Weise intoniert ... Die Regie, die Choreografie, die Dramaturgie und selbst die Spieler haben dies immer und immer wieder moniert. Der Musiker ist bei den Diskussionen jeweils ganz Ohr und d’accord avec nous, aber umgesetzt hat er bis und mit heute noch nichts. Keine neuen Stücke, keinen weiteren Rhythmus. Das nervt richtig und ich habe ein Déjà-vu, denn in unserer letzten Produktion waren die beiden „Musiker“ auch keine vergoldeten Schallplatten. Dabei muss das Stück in gerade Mal  drei Tagen viele Erwartungen erfüllen, auch musikalische. So sind heute, trotz 35Grad im Schatten, und viel Schatten bietet das C.I.T.O nicht, bereits ab 14 Uhr Proben angesagt. Einzelprobe Musik, Einzelproben mit Schauspielern,  und ab 19 Uhr ein weiterer Durchlauf samt Licht. Plus Kostüme und Accessoires. Wüssten wir nicht, dass drei Tage reichen können um ein Stück Theater weiter auf Kurs zu bringen, wir hätten schlaflose Nächte in Ouagdougou.
In Zürich wird derweilen an der Homepage gefeilt. Noch fehlt es an Inhalt, fehlen Bilder, Logos sind noch nicht platziert, Blog nicht verlinkt und Google-Maps tut auch nicht so, wie sie es verspricht.

Und wie warten gespannt auf den Entscheid der Theaterförderung der Stadt Zürich. Erhalten wir oder erhalten wir kein Geld für unser neues Stück "Entre cerveau et testicules"? 

Sujet Wechsel – und eben Ebola
Le Tour du Faso, ein jährlich stattfindendes Velorennen durch Burkina Faso 24. Oktober bis 2. November ist annulliert worden. Eben Ebola.

Neu werden in den Flughäfen von Ouagadougou , Dakar, Lomé, Accra Desinfektionsstationen aufgestellt. Offen bleibt die Frage, wie alle jene ihre Hände desinfizieren sollen, die – und das ist doch die Mehrheit – per Bus oder Zug reisst...
Ansonsten hier in Ouaga und Umgebung weiterhin NULL Informationen an den Schulen, Krankenhäusern, Privathaushalten etc. Nix mit Sensibilisierung, nix mit Präventionskampagnen.

Wer sich informieren will, hört RFI (Radio France International), aber dies ist eine europäische Geschichte ...

Derweil im Hafen von Freetown Medikamente in Millionenhöhe lagern und nicht an den Bestimmungsort, respektive in die Spitäler gelangen. Gerüchten zufolge weil die Bürokratie des Hafens – seit der Privatisierung –  zu kompliziert ist ...
Weil die Regierung, die Zollabrechnung nicht bezahlt hat ...
Weil die Medikamentenspende von einem Oppositionellen stammt ...
Weil ... die afrikanischen Mühlen anders malen oder auch gar nicht ...
Weil die Korruption noch immer ..., weil die grassierende Armut gepaart mit Nichtwissen ..., weil die Regierung unfähig ..., weil ..., weil ...

Wir der-weil-en in Europa einen ersten „richtigen“ Ebola-Fall haben.


Mittwoch, 1. Oktober 2014

On ne fait pas d'omelette sans casser des oeufs

Noch eine gute Woche und wir werden uns dem Publikum stellen müssen. Bis dahin bleibt noch viel zu tun. Wir sind an allen Ecken und Enden präsent und alle geben, wie immer, ihr Bestes.

Leseprobe im CITO - L'OR de YENNENGA

Zum Beispiel haben wir den Text bereits um 30 (!!) Seiten gekürzt und sind trotzdem noch nicht dort, wo wir sein möchten, das heisst bei einer Stückdauern von +- 1 Stunde 30 bis 40 Minuten. Wir bleiben dran.

Entwürfe Kostüme L'OR de YENNENGA
Die Kostüme sind soweit à jour (das saublöde Rechtschreibeprogramm mach immer Tour statt jour…). Aber noch nicht alle sind fertig genäht. Und obwohl der Schneider bei allen Mass genommen hat, sitzen eine Oberteile zu satt, sind einige Hosenbeine zu kurz, einige Tenues zu schön. Unser Stück spielt ja auf dem Lande, in einem kleinen Dorf, das bedeutet in der Regel: traditionelle Kleidung, die meist bereits sehr abgetragen ist. Ausnahmen sind die Geschwister Lamoussa, die mit einem Schweizer liiert ist und dementsprechend über Kleingeld verfügt und ihr Bruder Ibro, der den Dorffetisch für viel Geld an Chinois, Mitglied der afrikanisch-chinesischen Mafia verhökern will. 


Neben der Arbeit am Stück ist die Auseinandersetzung mit den Stagiaires nicht zu unterschätzen. In einer wöchentlichen Sitzung wird besprochen, was sie alles gemacht, verstanden oder nicht verstanden haben, wie sie, unabhängig von unserer Arbeit, das Stück inszenieren würden. Die diesjährigen Stagaires sind alle sehr engagiert. Das macht Spass, heisst aber auch sich Zeit und ihre Vorschläge ernst zu nehmen.

Edwige Ouedraogo, stagiaire en lumiére

Kommunikation, ein weiteres Feld, das beackert werden muss. Unermüdlich. Für die Presse in Ouaga und für die Geldgeber in der Schweiz. Texte schreiben, übersetzen lassen, Fotos bereit stellen, Plakatentwürfe sichten, Blog füttern, Homepage bearbeiten ect.

Plakatentwurf L'OR de YENNENGA
Et un plus chaque jour les répétitions. Mais on fait pas d'omelette sans casser les oeufs.

Action: Chinois wartet noch immer auf die heilige Statue

Sibri möchte gerne eine 2. Frau. Was meint der Féticheur?

Lamoussa und Salamata, Mutter von Lamoussa

Montag, 29. September 2014

Ebola und (k)eine Scheisskanalisation

Im Vorfeld meiner Reise bin ich immer wieder gefragt worden, ob ich vor Ebola keine Angst hätte. Nein, habe ich jeweils geantwortet. Hätte ich Angst gehabt, wäre ich gar nicht erst nach Westafrika geflogen. Afrika und Angst, die beiden können – aus meiner Warte –  nicht heiraten. Gedanken über den heftigen Ausbruch dieser schrecklichen Krankheit habe ich mir gleichwohl gemacht, ebenso wie ich mich via MsF (Ärzte ohne Grenzen), dem Bundesamt für Gesundheit (Link zu Erreger, Übertragung, Krankheitsbild),  Robert Koch Institut, WHO (Antworten auf häufig gestellte Fragen), NZZ und die Zeit und im www über den Verlauf der Epidemie informiert habe. Und mit Freunden in Ouaga telefoniert haben. Die mir versicherten, alles sei trankil. And last but not least kommt mir meine langjährige Arbeit für die Aids-Hilfe Schweiz zu gute. Ich habe im mindestens eine Ahnung von Viren, von Übertragungswegen, Inkubationszeiten, von Epidemiologie. Auch wenn sich das Ebola-Virus  nicht auf die gleiche Art und Weise wie das HI-Virus überträgt, so ist es ebenfalls eines, dass nicht so einfach überträgt. Vorausgesetz natürlich man weiss um die Übertragungswege und man hat Zugang zu einfachen Hygienemitteln und einem Gesundheitssystem. Das ist bei mir, bei uns dreien, Roger, Matteo und ich, die wir hier sind, gegeben. Wir sind krankenversichert, wenn auch teuer – ausgerechnet heute, hat das „Volk“ wieder einmal seine „Reife“ mit der Ablehnung der Einheitskrankenkasse demonstriert – wie würden bei Bedarf ausgeflogen werden, ou bien? Und wer sich in Europa behandeln lassen kann, hat eine zu 50% grösser Chance geheilt zu werden, alors. Der Rest ist Hände waschen als wiederholtes Tagesritual. Und weiterhin die Medien kontaktieren. Einzig von diesen hellblauen Desinfektionsmitteln habe ich heuer drei statt ein Einziges eingepackt.  Meine Psychohygiene.
Die Regierung von Burkina Faso hat bis jetzt noch nicht wahnsinnig viele Dekrete erlassen. Bei der Ankunft im Flughafen Ouagadougou mussten alle Passagiere die Hände desinfizieren und die Körpertemperatur wurde gemessen. Das war’s dann auch schon mit der Prävention. Keine Plakate, keine Werbung kein gar nichts. Abgesagt wurde der SalonInternational de l' Artisanat Ouagadougou, SIAO, der laut hiesigen Medien einen Verlust von 85 Millionen CFA in die Kassen – eben nicht – spülen wird. Und bis heute ich nicht klar, ob die Kinder in die öffentlichen Schule dürfen, da doch etliche während der langen Sommerferien im Ausland, sicher auch in Sierra Leone, Liberia, Guinea, weilten.


Das nigerianische Fernsehen – hier gut zu empfangen – zeigt immerhin Präventionsspots, unterlegt mit rhythmischen Sound (Musikalischer Kampf gegen Ebola, Radio Bremen) und flotten Tanzschritten. Hände desinfizieren mit Chlor (!), Kranke nicht berühren und sofort zum Arzt, Tote nicht berühren, bei Krankheitsanzeichen wie Fieber, Durchfall, Blut im Stuhl, Unwohlsein sofort zum Arzt.
Doch Fieber, Durchfall, Unwohlsein ist hier an der Tagesordnung und für praktisch niemanden eine Grund nicht zur Arbeit zu gehen, falls man dann eine hat. Zudem können diese Symptome zu einer Palude, zur Malaria gehören und diese grassiert in der Regenzeit erhöht. Fragt man die Leute hier, haben sie durchaus Angst und hoffen „DIEU merci“, dass sie einfach verschont bleiben ... Denn Krankheit und Tod gehören hier zum Alltag, wie das tägliche Amen in der Kirche.
Nein Angst vor Krankheiten, Bakterien, Viren sind hier, wie auch Leichtsinn, fehl am Platz. Respekt und die nötige Vor- und Umsicht jedoch zwingend. Denn von Bakterien und Viren und unzähligen Erregern hat es hier auch ohne Ebola mehr als genug. 

Wen wundert’s? Auch in unserem Quartier Kamsoghin in Ouagadougou, leben die Menschen in scheinbarer Eintracht neben offen Wassergräben (Brutstätten für Moskitos), Bergen von Unrat, Tierexkrementen, Haushaltabfällen, Benzin und Öllachen, Feuerstellen, kaputten Batterien, Seifenlauge, Plastikmüll – alles was ein durchschnittlicher Haushalt, Autogaragen, Restaurants, Tierställe (Geissen, Schafe, Kühe, wenige Pferde) und jedwegliches Kleingewerbe so täglich entsorgen – vor der Haustüre. Fegt dann noch ein heftiges Gewitter, wie jetzt in der Regenzeit praktisch alle drei Tage, über die Stadt, verwandeln sich die Quartierstrassen in mäandernde Bäche, die allen Dreck mit sich führen. Leben mit der Kloake. Zieht die Sonne wieder auf bleibt ein stinkiger Schlamm liegen. Bis zum nächsten Gewitter. Einzig die Sonne  hat die Kraft alles auszutrocknen und buchstäblich in Staub zu verwandeln und zumindest einen Teil der Bakterien und Co. abzutöten.

Von einem halbwegs funktionierenden Abwasser- und Entsorgungssystem ist Ouagadougou noch Meilen oder Jahre, realistischer Jahrzehnte entfernt. Bis heute hat es weder die Regierung, falls sie es je ernsthaft propagiert hat, noch die Weltbank, noch UNHCR, noch die WHO, noch die alte Kolonialmacht geschafft den Menschen ein Bewusstsein und eine Verantwortlichkeit für das was VOR der Türe liegt, was der Gemeinschaft gehört,  zu schaffen. Ich spreche hier nicht von den Ärmsten und Armen, ich spreche hier von der Mittelschicht in Ouaga, zum Beispiel unser Nachbar, der als Englischprofessor am Gymnasium unterrichtet und sich genau so wenig am Dreck vor seiner Türe stösst, wie alle andern im Quartier auch.

Ich wundere mich immer wieder aufs Neue. Dabei kann längst ohne Probleme durch unser Quartier spazieren und mich einzig auf die Schönheiten in unserem Quartier konzentrieren. Selektive Wahrnehmung, nennt man das.















Freitag, 26. September 2014

Bis der Vorhang fällt - Bühnenbilder

Bühnenbilder lassen die Bühne sprechen. Unterstützen das Stück, treiben es vorwärts, setzten Akzente, schaffen Atmosphäre, tragen ein Stück Illusion bis der Vorhang fällt.. Bühnenbilder sind das Salz im Theater. Ob auf nacktem Boden gespielt oder aufwändigst inszeniert, ohne Bühnenbilder wäre das Theater nur halb so verführerisch. Natürlich gehört das Licht, der Ton ebenso dazu. Wenn wir von unserem Bühnenbild sprechen, müssen wir auch von Martin Bölsterli, genannt Bö sprechen. Seit nunmehr vier Kreationen entwirft er – immer in gemeinsamer Arbeit mit Kollegen von Face-O-Scéno - das bedeutet Kulturaustausch auf jeder erdenklichen Ebene, sprachlich, kulturell, soziologisch, religiös, freundschaftlich - unsere Bühnenbilder.

Bö bei Face-O-Scéno
Nach vielen Sitzungen in Zürich, meist begleitet von einem Aperò, oft bei einem gemeinsamen Nachtessen, im mindesten bei einem Bier – in Erinnerung an unsere Bierkultur in Ouaga – präsentiert er uns einen ersten Vorschlag. Genauer ein erstes Model. Dieses erste Model hat bereits einen weiten Weg hinter sich. Recherche, Stückinterpretation, Austausch mit Ouaga. Bö, hauptberuflich als Architekt für bölsterli hitz gmbh tätig, ist ein Meister der Visualisierung, der Reduktion und ausserdem ein hervorragender Handwerker, mit dem nötigen kreativen Esprit, den es im Theater braucht. Logo, kann man hier einwerfen, das muss er auch sein in seinem Metier, aber er ist auch einer, ein Meister. Ich bin jeweils ganz gespannt auf seine ersten Vorstellungen des Bühnenbildes, wenn er –  immer mit den Drehbleistift in der Hand, das Model aufstellt und uns seine Vision, seine Ideen erklärt. Warum und was und weil und das Stück und überhaupt und sowieso. Wenn er bereits während der Präsentation abschweift – nie so lange wie ich jeweils abzuschweifen pflege ..., diejenigen, die mich kennen wissen wovon ich spreche ..., – und einen zweiten, dritten Vorschlag ausbreitet, den ersten erweitert, umdeutet. Wenn er mit dem Skalpell schnell und sicher ein weiteres Model ausschneidet, klebt, beschriftet. Schnell eine Figur dazustellt, damit auch wir, das heisst die Regie und ich die Relationen erkennen. Immer mit Rückfragen, immer an das grosse Ganze denkend.

Spiel-Zeug
Ich erinnere mich an seinen ersten Entwurf für Gombo Noir, eine Adaptation von Gogols Revisor. Ein Stück über die verführerische Kraft des Geldes und die daraus resultierende Korruption. Bö schwebte eine Art XXXL Drehscheibe vor, auf der die meisten Aktionen stattfinden sollten. Er zeichnete, entwickelte und tauschte sich mit Dao Sada von Face-O-Scéno via Mail, Skype und Telefon aus. Die Idee nahm langsam aber sicher Form an, bis wir dann in Ouaga ankamen – Bö das erst Mal überhaupt – und ihm und uns rasch klar wurde, dass seine Drehscheibe unweigerlich  im Sand der grossen Sahara stecken bliebe. Und tourneetauglich wäre das Ding auch nicht, da zu schwer, zu ungetüm. Hinzu kam das schlechte Material, ob dies nun Stahlträger, Schrauben, Räder, Holz, Farbe, Klebstoff,  oder was weiss der westafrikanische Geier war. In der Folge zimmerten die Szenografen, wie die Bühenbildner hier heissen, ein abgespecktes, tourneetaugliches Bühnenbild, das aus fünf aneinandergehängten, multifunktionalen Türen bestand. Nicht ganz im Lot das Ganze, aber durchaus zu einer Komödie passend. Hinzu kamen Kartonhocker (Direktimport CH-BF) und viele Accessoires. Es war ein schönes, dem Stück dienendes Bühnenbild und in jeder Schraube steckte eine grosse Portion Erfahrung. Wenn gleich die Tourneetruppe immer wieder monierte, das Teil sei viel zu schwer …


Auf Tournée - Bühnenbild samt Equipe
Ein paar Jahre älter, erfahrener und bestens an die Konditionen in BF angepasst spielt „L’OR DE YENNENGA“ heuer in einem maximal reduzierten Bühnenbild. Vorbild standen die Bastelbögen, die jedes Schulkind aus der Schweiz kennt. Verschiedene einfache Elemente ergeben zusammen die Silhouette eines Dörfchens. Inklusive zweier Bäume, fast zwei Baobab.

Probe im Bühnenbild L'OR DE YENNENGA
Stahlrahmen, ummanteln dünne Holzplatten, deren mit Stoff tapeziert rauhe Oberflächen an die Lehmbauten auf dem Lande erinnern. Entworfen von Bö. und Issa, ausgeführt von Issa und seiner Truppe von Face-O-Scéno.

Detail Baobab Bühnenbild L'OR DE YENNENGA

Issa Scénographe Face-O-Scéno



Issa Ouadraogo einer der wenigen Szenografen vor Ort, der Pläne lesen und selber zeichnen kann. Eine Rarität, denn die meisten Bühnenbildner hier, arbeiten aus dem Kopf heraus – oder Bauch? –, imaginieren, improvisieren und tasten sich so an das Resultat heran. Das funktioniertmeist nicht schlecht, ist aber nicht immer gut genug und oft auch Zeit-, Material- und Geld verschleissend. Diesmal ging alles schlank über die Bühne, ohne Haken und Ösen und mit hiesigem Material. Das bedeutet nicht Made in Burkina Faso, sondern Made Partout, das meiste davon in China
Bö., der sich für diese Produktion in Ouagadougou leider nicht freischaufeln konnte, kann zufrieden sein. Und das nächste Bühnenbild kommt bestimmt.