Dienstag, 28. Februar 2012

Ouagadougou ist ...


... kommerziell ...
... schraubt sich empor ...
... wird breiter ...
... passt sich an ...
...  designt ...
... entwirft ...
... schaut in die Zukunft ...
... feiert sich ...
... nimmt weiter Land ...




Sonntag, 26. Februar 2012

Publikum - Provokation - Porno

Es gilt - bei lauen 39,5 Grad und alles fliesst - ein paar Dinge zu klären. Wir, die Theaterfritzen müssen uns entscheiden, welchen Drall "Sevrage", unsere Lysistrata aufnehmen soll. Dies ist uns nach der freitäglichen Filage klargeworden. Einmal mehr haben wir unsere Arbeit oder besser gesagt, das was wir bis jetzt gemeinsam erarbeitet haben, einem kleinen Publikum vorgeführt. Mit einem unfertigen Bühnenbild, drei Scheinwerfern, halbfertigen Kostümen - work in progress, eben. Et voilà, comme ça. Und teilweise gröbere Reaktionen ausgelöst. Von Pornografie, unnötigen Provokationen, Kinderschutz und mehr war die Rede. Männliche Rede, notabene. In einem Land, dass zwar die Beschneidung seit 1996 per Gesetz verbietet und trotzdem über 70 Prozent (Stand 2003, mit abnehmender Tendenz) aller Frauen beschnitten sind ... Wird die Gleichberechtigung mit einem Sexstreik und einer argumentativen Überzeugung eingefordert, dann fühlen sich gewisse Männer auf den Schwanz getreten. Denn die Moral kommt vor dem Sex, surtout in der Öffentlichkeit. Der afrikanische Machismus lebt.
Argumente, die mir nicht unbekannt vorkommen. Auch in der aufgeklärten Schweiz fühlen sich die rechtenrichtigen Männer schnell provoziert, wenn sich Frauen lustvoll über das Gemächt der Männer unterhalten. Oder sich darüber verlustieren. Dabei gibt es noch immer unvergleichlich mehr abwertende Wörter für die Vulva, als für den Penis. Und wenn eine Prostituierte, wie in "Sevrage" für sich Achtung und die gleichen Rechte reklamiert, die für jeden Mann selbstverständlich sind, ist es um das Verständnis und mit der Toleranz schnell vorbei. Une pute, écoute ...?!  Im Süden wie im Norden. und im Osten. Und im Westen. Von der schlüpfrigen Scheinheiligkeit gewisser amerikanischer Politiker wollen wir gar nicht reden. Oder der jahrhundertealten selbstgedrechselten, doppelt gepoppten Sexuallehre des Vatikans, dieses Ministaates mit Weltanspruch. Und die Evangelikalen? Und, und, und?
Was haben wir, was haben unsere Schauspielerinnen denn gespielt? Nichts was der grossen Rede wert gewesen wäre. Klar schrammten einige Schauspielerinnen mit ihrem Spiel hart an sensiblen (huihui) Männer-Egos vorbei. Und ja, ein grosser Dildo wurde kurzerhand in ein Mikrophon umgewandelt. Klar haben die Frauen lustvoll les fesses dem Publikum präsentiert.  Klar war und ist noch etliches in diesem Stück unausgegoren, die Kernaussage aber: Gleichberechtigung - und Achtung für die Frauen - alle Frauen - keine Kriege mehr, unter denen alle leiden ausser die Strippenzieher, ist richtig und berechtigt. Ohne Punkt und Komma.
Der Ausgeglichenheit halber muss ich, zwingend, erwähnen, dass es auch Männer gibt, die kein Problem mit unserem bisherigen Stückverlauf haben. Und auch an jenem Abend nicht hatten. Die uns gratulierten, sich gut amüsierten und uns ermutigten, unbedingt so weiter zu machen. Sie waren einfach nicht ganz so stimmgewaltig. Die Frauen meldeten sich leider nicht zu Wort ... il faut les encourages ...
Die Gesellschaft ist in Bewegung, auch in Burkina Faso Sie zeigt Risse. Haarfeine und dickere. Vieles bricht auf. Die neuen Medien sind auch hier im Vormarsch, zeigen Ungesehenes, Neues. Ein Klick kann der Schlüssel in eine neue Welt sein. Noch weht der arabische Frühling nicht in den Subsahara Staaten, wird er peut-être auch nicht, doch eine Brise ist durchaus hin und wieder zu spüren. Die jungen Menschen wollen eine Zukunft und keine leeren Versprechungen. Surtout les femmes. Blaise Comparoè wird sich warm anziehen müssen, wenn die nächsten Wahlen 2015 anstehen.

Wer hat Angst vor starken Frauen?
Derweil wir weiter diskutieren. Soll Theater aufklären, provo- und evozieren oder soll es einfach unterhalten? Kann oder muss Theater Ansprüche stellen und wenn ja welche? Und wer trägt die Verantwortung? Der Autor, der Regisseur, die Produzenten, das Publikum? Diese Fragen beschäftigen alle Theatermachenden immer wieder. Führen mitunter zu heftigsten Auseinandersetzungen, theatral-ideologisch geführten Debatten, Querelen, Erkenntnissen, Glücksmomenten bis hin zu Verdankungen. Die Antworten können nie einfach ausfallen, denn wo Menschen Menschen - Stereo-, Arche-, Proto-Typen - darstellen, menschelt es zutiefst. In allen Ecken und Bereichen. Vor, auf und hinter der Bühne. Und wir bilden keine Ausnahmen, sind immer parteiisch, immer auch fehlbar. Und das liebe Publikum, das blöde Publikum ... Publikum ist ja nie einfach blosse Anzahl Menschen. Das Publikum hat: ein geteiltes Ziel - eine Theatervorstellung gemeinsam und freiwillig (in der Regel ...) besuchen - und ein ungeteiltes, individuelles - das Rezeptieren des Gesehenen. Im Kontext der eigenen Moralvorstellungen. Und an diesen knabbern Theatermenschen gerne herum. Wir arbeiten weiter. Nicht unbeirrt, aber überzeugt.
An das Publikum
O hochverehrtes Publikum,
sag mal: Bist du wirklich so dumm,
wie uns das an allen Tagen
alle Unternehmer sagen?
Jeder Direktor mit dickem Popo
spricht: "Das Publikum will es so!"
Jeder Filmfritze sagt: "Was soll ich machen?
Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!"
Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht:
"Gute Bücher gehn eben nicht!"
Sag mal, verehrtes Publikum:
Bist du wirklich so dumm?
So dumm, daß in Zeitungen, früh und spät,
immer weniger zu lesen steht?
Aus lauter Furcht, du könntest verletzt sein;
aus lauter Angst, es soll niemand verhetzt sein;
aus lauter Besorgnis, Müller und Cohn
könnten mit Abbestellung drohn?
Aus Bangigkeit, es käme am Ende
einer der zahllosen Reichsverbände
und protestierte und denunzierte
und demonstrierte und prozessierte...
Sag mal, verehrtes Publikum:
Bist du wirklich so dumm?
Ja dann...
Es lastet auf dieser Zeit
der Fluch der Mittelmässigkeit.
Hast du so einen schwachen Magen?
Kannst du keine Wahrheit vertragen?
Bist also nur ein Griesbrei-Fresser-?
Ja, dann...
Ja, dann verdienst dus nicht besser
(Kurt Tucholsky)

Freitag, 24. Februar 2012

Le nombril oder das gelbe Vorhängeschloss?

Alles fliesst. Der Schweiss, das Wasser, die Emotionen. Dazwischen Kurzstopps und Entscheidungen. Grössere, kleinere, gewichtige contra banale.
Zu den grösseren gehört die definitve Plakatauswahl. Zwei stehen nun zur Auswahl. Theoretisch. Praktisch ist die Entscheidung gefallen. Dem Produzenten (Theater-C.I.T.O.) gefällt der Schweizer-Vorschlag. Die Schauspieler würden dem Burkina-Vorschlag den Vorzug geben.


Vorschlag1: Illustrators Nanga
Bild gegen Illustration. Verführungskette gegen Vorhängeschloss.

Das Foto ist gut, aber es ist nicht zum Lachen. Und wir spielen ja eine Komödie, non? 
Mir gefällt der Bauchnabel nicht, wem gehört er überhaupt? 
Wieso sieht man hier nicht noch ein bisschen Schamhaar? Die Frauen streiken, also haben sie gar keine Zeit für Intimrasur.
 Et les blancs?
Der Bauchnabel ist interessant(er), eben weil er nicht perfekt ist.
 In der francophonen Kultur sind Illus und Comics besser akzeptiert, als chez nous.
Das mit dem abgehackten Bein geht gar nicht ...
Und jetzt? Die Entscheidung wird fallen, alles fliesst. So oder so.  


Vorschlag2:  CH-Design







Donnerstag, 23. Februar 2012

On es optimiste - immer und fast überall

Ich befürchte in meiner - ausgeleierten, durchgelegenen - Schaumstoffmatratze wohnt eine kleine Bettwanze. Und da ich immer in der mehr oder weniger gleichen, unbewegten Stellung schlafe - eben weil die Matratze so durchgelegen und ausgeleiert ist - beisst, saugt, pickst mich die kleine Bettwanze nächtens immer an der gleichen Stelle. Meine Anti-Brumm-Interventionen zeigen bis heute keinen Erfolg. Das gleiche lässt sich von meinen olfaktorischen Angriffen sagen. Links neben meinem Kopfkissen liegt ein Lavendelduftsachet, rechts davon eine Vanillieschote.  Und mit Rattengift - hier in jedem, wirklich jedem Shop erhältlich - möchte ich nun doch nicht hantieren. Was soll's:  Ein Haustier mehr macht noch keinen Zoo. On est optimiste -  on est trankil.

Bettwanze, nicht  sichtbar

Diese Eigenschaften waren auch gestern gefragt, als wir einer Einladung der HELVETAS Folge leisteten und im Zuge dieser Einladung eine grössere - so nicht vorgesehene - Reise unternahmen.
Kommuniziert und geplant war:
1. Besammlung  und Abfahrtsort: C.I.T.O 17:00 Uhr, mit grossem Reisebus für Alle
2. Bestimmungsort: Koubri, ein kleines Dorf, gleich hinter Ouaga. Reisezeit circa, ungefähr, höchstens eine Stunde
3. Nachtessen und Getränke vor Ort
4. Ziel: Un filage für Helvetas Mitarbeitende in BF, Beginn 21:00 Uhr mit  anschliessender Diskussion. Was gefällt, was gefällt nicht, wird alles verstanden und tututu
5. Heimreise ungefähr 23:30 Uhr

Transport nach Koubri
Et voilà - Der Bus kam etwas später (18:00 Uhr irgendwas) und als er kam, war der Bus geteilt, quasi. Ein Toyota-Minibus für Decor und Schauspielende, ein Privatauto von Augusta (Schauspielerin) und C.I.T.O.-Dienstwagen. Brèv: wir hatten nicht genug Platz und waren ein bisschen im Rückstand auf den Zeitplan ... Es wurde diskutiert und umplaciert und nochmals umplaciert und nochmals diskutiert und irgendwann waren wir en route.
Ouaga liessen wir hinter uns, erreichten bald Koubri, alles war tipp und topp, aber dann kam alles ein bisschen ins Stocken. Wo genau ist der Spielort? Wer hat Infos, wer hat eine Karte, wer hat einen Kontakt? Wer? Aha. Niemand weiss genaueres. Aha. Nachfragen an der Tankstelle. Aha. Es ist gar nicht in Koubri, der Ort befindet sich etwas ausserhalb. Aha. Aufgemacht und abgefahren. Und dann rütteln wir 18 Kilometer übers Land. Leider sehen wir nicht viel, da die Sonne längst am Schlafen ist. Wir passieren ein Barrage und rütteln weiter. In den Autos wird getratscht, gefotzelt, gestichelt, ausgetauscht und wir versuchen ein bisschen zu Singen ... Langsam aber sicher kratzt der Staub an unseren Kehlen und wir hätten alle gerne ein Brakina.
Irgendwann kommen wir in der AUBERGE LES BOUGAINVILLIERS an. Aha, das ist gar nicht HELVETAS-Quartier.  Pier-Luigi Agnelli, HELVETAS-Verantwortlicher für BF und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen empfangen uns herzlich. Das Nachtessen können wir (vorerst) vergessen. Ruck und zuck Aufbauen und Spielen. Und noch schnell ein Bier oder einen Jus, ex und hopp.

 Theater braucht Publikum, Koubri

Zu unser aller Freude gelingt  auch die zweite Filage. Die Akteure geben wie immer, wenn Publikum vorhanden, alles und wenn der Txt vergessen  geht, wird improvisiert. Das Publikum lacht viel, die Männer zeitweise etwas verhaltener ... d'accord, sie kommen auch nicht immer gut weg ...
Nach zwei Stunden der Schlussapplaus. Das Publikum ist begeistert, wir sind es auch. Anschliessend wird einmal mehr intensiv diskutiert. Die Frauen bieten den Männern Paroli. Die Kraft von Lysistrata beflügelt die Frauen, gibt ihnen Rückenwind.
Was wiederum uns beflügelt; denn nichts ist für Theaterschaffende schlimmer als im luftleeren Raum zu agieren. Theaterschaffende brauchen einen Resonanzkörper, brauchen das Publikum. Ohne Publikum kein Theater. So simpel ist das.

Das anschliessenden Nachtessen ist kein kulinarischer Höhepunkt.  Die Auberge le Bougainvilliers hat auf Sparflamme gekocht. Einigen  Schauspieler stösst das, absolut zu Recht, sauer auf, bezahlen sie doch das Nachtessen mit ihrer symbolischen Gage.
Die gute Stimmung hält trotzdem an. Denn: y'a pas de problème! Einer der Leitsätze in BF. Täglich im Gebrauch; ironisch gebrochen, ernst gemeint, augenzwinkernd, zynisch. Je nach Stimmung und Temperament. Phlegmatikerinnen, Sanguiniker, Choleriker, Melancholikerinnen.

Zu später Stunde rütteln wir uns wieder nach Ouaga zurück. Gute Nachtwünsche, morgen ist ein neuer Tag. Meine kleine Wanze wartet bereits.



Sonntag, 19. Februar 2012

Yennenga - Sankara et l'affiche

Nach der Arbeit ist vor der Arbeit. Dazwischen liegen Staubwischen, Schlafen, Essen, Duschen (kurz), erneut Staubwischen, Schwimmen, Biertrinken, wieder Staubwischen, erneut Duschen (ultra kurz), nochmals Staubwischen, wieder Duschen (am kürzesten) und ein Theaterabend im C.I.T.O. "L'éboppé des Moosé YENNENGA", die Geschichte der Prinzessin und Amazone Yennenga.




Yennengas Hengst führte sie in den Norden (heute Ghana) und dort verliebte sie die kampferprobte Amazone und Jägerin in den Elefantenjäger Rialé. Yennengas Sohn Ouédraogo gründete das Reich der Tenkodogo und damit die Herrschaft der Mossidynastien im 15. Jahrhundert. 
Zu Ehren der Prinzessin und ihres Hengstes (er führte die Prinzessin und den Jäger zusammen) wird der "Etalon de Yennenga" als höchste Auszeichnung des panafrikanischen Filmfestivals FESPACO vergeben. "Les Etalons" (die Hengste) stehen auch für die Nationalmannschaft von BF. Die heuer in der CAN keinen freurigen dafür einen schlaffen Eindruck hinterliessen und auch bald ausschieden. Die Bukinabés nahmens stoisch, echoffierten sich einzig an den teuren Vorbereitungen. 
Das wäre zu Zeiten von Thomas Sankara unmöglich gewesen.


"Als Sankara 1983 an die Macht kommt, bekämpft er die in Afrika allgegenwärtige Korruption und lebt selbst stets spartanisch. Legendär ist sein Verkauf der Mercedes-Dienstwagenflotte der damaligen Ministerriege. Die hohen Politiker sollten, wie er, nur noch im kleinen Renault 5 oder öffentlich zweiter Klasse reisen. Privilegierte Beamte kontrollierte er frühmorgens auch persönlich, ob sie ihren Dienst versahen."


Sankara, der weit mehr vollbrachte als nur die Mercedesflotte seiner Minister  abzuschaffen - was längst nicht alle goutierten - , bezahlte sein Engagement mit dem Tod. 






Genug Revolution - wir brauchen, jetzt wo wir endliche einen Stücktitel haben, auch ein Plakat. Pressearbeit, Marketing, Werbung ist auch in BF nicht zu unterschätzen.


Silvia Luckner an der Arbeit
Plakatvorschlag, noch nicht bearbeitet
Plakatvorschlag2, noch nicht bearbeitet

Plakatvorschlag3, unbearbeitet
Plakatvorschlag4, unbearbeitet


















Samstag, 18. Februar 2012

Starke Frauen, notgeile Männer - erster Durchlauf

Der Tag beginnt harmlos. Abgesehen davon, dass der Automat der Banque BICIAP die Postkarte von Martin Bölsterli, seines Zeichens unser geschätzter Bühnenbildner, frisst. Rübis und stübis. Und der gefrässige Apparat denkt nicht daran die Karte wieder auszuspucken. Doch wir müssen weiter, schliesslich findet heute unser erster Durchgang statt. Als Abschluss der Probearbeiten im Gambidi spielen wir alle Szenen durch. Un filage, wie das hier heisst. Ohne Unterbrechung, ohne Einwürfe, lassen wir die Schauspieler los. Alle sind neugierig ob "SEVRAGE" als Stück funktioniert, ob die einzelnen Szenen Sinn ergeben, das Stück den komödiantischen Anforderungen entspricht, les personnages stimmen, brèv ob wir auf dem richtigen Weg sind. Punkt 11 Uhr soll es losgehen. Soll's, aber es kommt sowieso so wie es kommt. Also alles ein tout petite später. Wir lassen die gelbe Karte in der Bank mit dem grünen Logo zurück und blicken vorwärts. Kaum im Gambidi angekommen nimmt Monsieur Harmattan seine Arbeit auf. Er bläst einmal de plus aus vollen Backen ohne Unterlass. Poussière partout. Über alles und alles legt er seinen dunkelroten Staub. Mit jeder Minute, jeder Stunde deckt er die Stadt zu. Er besetzt Schleimhäute, Ohrmuscheln, Haare. Staub zu Staub, aber - noch keine Asche. Hopp, hopp, hopp sofort alle Türen schliessen, Fenster zu und hoffen, dass er heute nur halbtags arbeitet, der grosse Wind. Denn die Schweizer haben kurz vor dem Aufbruch sämtliche Fenster im Haus geöffnet, damit die Luft - oder eben Madame la poussière, besser zirkulieren kann ... Doch jetzt ist eine Zeit für Sandspiele.

Harmattan
Bitte das Décor für die erste Szene bereit stellen, die Kostüme und die zur Verfügung stehenden Accessoir zusammentragen. Und ja die Musiker sollen auch ihre Hemden anziehen. Und nein Kadi kann ihr Cocktailkleid nicht tragen, es passt überhaupt nicht zu ihrer Personage. Ist jetzt eine Friedensfahne da? Klar kann Ibrah als General eine Schürze anziehen, auch wenn diese aktuell eher wie ein Fundstück einer Müllhalde daherkommt. Alles ist work in progress, ist Improvisation mit dem was wir haben. Ausser dem STück natürlich. Alles wuselt, sucht, fragt, übernimmt, hinterfragt, sucht nochmals, verwirft, probiert, nimmt Platz und am Schluss ist es 11 Uhr und 40 Minuten und unsere erster Durchlauf beginnt. Das Publikum ist klein an der Zahl, exakt vier Personen. Vom Vizepräsidenten des C.I.T.O, einem ehemaligen Militär, erwarten wir ein Feedback zu unseren Szene mit dem militärischen Personal. Darf man zeigen und thematisieren, dass der General schwul sein könnte, oder ist das schon zu viel des Guten? Denn wie in den meisten afrikanischen Staaten ist Homosexualität auch in BF verboten (unbedingt Artikel lesen "Jeune Afrique"). Wird aber - ohne Anzeige - nicht verfolgt. Und wie steht es um all die Szenen, in denen die Soldaten mit ihren erigierten Schwänzen, stark überzeichnet mais quand même, über die Bühne stolpern? On verra.

Holzschnäbi - Requisitenvorschlag
  1. Szene: An der Front. 
  2. Szene: L'hôpital militaire de TAAMS-TINGA. Die Krankenschwestern verweigern den Dienst, sie wollen an der Frauensitzung teilnehmen. 
  3. Szene: Frauenhaus - Lysa hat die Frauen versammelt und ruft den Sexstreik aus, bis der Krieg beendet ist. 
  4. Szene: Trois refus. 
  5. Szene: Wieder an der Front. Der Sexstreik zeigt erste Wirkung, die Männer sind spitz und ihre ergierten Holzschnäbis ragen in die Höh. Eine Ausnahme bildet Razonde, der schwule Soldat. 
  6. Szene: Die Frauen haben das Waffenlager besetzt und erhalten weltweite Unterstützung. Auch les jolies filles (die Prostituierten) zeigen sich solidarisch. 
  7. Szene: Tene wird als Lockvogel eingesetzt. Sie soll ausspionieren, ob die Generäle bald Frieden schliessen ... 
  8. Szene: Wieder an der Front. Es wird schlimmer und schlimmer ... Die Soldaten haben langsam die Schnauze - nein - die Hosen voll. 
  9. Szene: Pour la patrie - kann man - zur Entlastung der übervollen Leitungen - versuchen von Mann zu Mann, eh bien . alors pour la patrie ... caresser un peu.
  10. Szene: Alles spitzt sich zu. Batogoma, die Vertreterin der Prostituierten wurde beinahe vergewaltigt. Die Frauen sind entsetzt und wollen nicht mehr streiken. Lysa hält eine weitere überzeugende Rede. 
  11. Szene: Der Streik dauert und zeigt endlich Wirkung. Selbst die Generäle müssen nun Zuhause Hand anlegen. Alle Frauen sind im Streik. Die Soldaten müssen zusätzlich zur Kriegsführung die Kinder versorgen, Wäsche wasche, kochen, aufwischen et tututu. Und noch immer keine Entspannung in Sicht. Und niemand sagt: Merci chèrie, merci mon carottes! Die Soldaten und die Generäle wollen nicht mehr länger Haushalten (gratis) und Krieg führen (sinnlos). Das gilt auch für alle Militärs von Bambili, die Gegener. Gemeinsam beschliessen sie den Frieden und legen die Waffen vor der Poudrière nieder. Lysa und ihre Gefährtinnen nehmen das Angebot an. Das Fest kann beginnen. 

Nach fast zwei Stunden ist "SEVRAGE" abgespielt. Mit Publikum - und wenn es noch so mager ist - werden die meisten unserer Truppe zu Rampensäuen. Das heisst sie geben alles und noch ein bisschen mehr. Das ist in unserem Fall gut zu gebrauchen. Wir arbeiten ja mit Klischees und Überzeichnung. Auch die Musiker scheinen ein bisschen wacher als auch schon. Unser Publikum zeigt sich begeistert et Phillipe, der Ex-Militär vergibt das Label: Alles-ist-machbar-so. Alles ist eben etwas toleranter in BF, denn in anderen westafrikanischen Staaten. Ein grosse Glück für uns und eines für die Einheimischen, allen Nöten zum Trotz.  Was wollen wir mehr? Für den Moment, endlich ein Brakina. Wohlverdient und schnell getrunken.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Commerçant de Cycles et Cyclemoteur: Congo Adama

Velo- und Töffwaschstelle, in der Schweiz nicht zugelassen
Enfin! Wir haben uns Velos gekauft. la dramaturge sich ein eher fünf- wie zweithand-Rad. Mit tututu. Ca veut dire? Mit Bremsen (45.798432% Bremsleistung), mit einen Sattel (Minifüdelimodel), mit einem Dynamo (in Betrieb), Pedalen en plastique, Shimano!-Nabe hinten, einem Made in China-Kleber und einem Hausfrauenkorb am Lenker. Also kein Sportteil und kein Fahrdenbergrunter. Auch kein Fixie. Was nicht heisst, dass es nicht bald ein Fixie sein könnte ... Hier gehört Fixie fahren zur Normalität und ist keine Erscheinung. Sch! Sch! Jetzt nicht schwarz (hat in Waga sofort eine andere Bedeutung) malen. La cycle trägt ein ausgebleichtes Orange, mit schwarzem Lenker, der nicht richtig eingemittet ist, mais ça va aller und einem silbernen Kettenschutz. Die Pneus scheinen in Ordnung.  Das ganze Bicy ist ungefettet gekauft, aber wir haben ja beurre de karité en masse à la maison. Bezahlt habe ich 40'000 CFA. Davon kann Congo Adama 2000 CFA für sich Gutschreiben, den Rest teilt sich die Velomafia ...
Mobil in Waga - Bicy made in China
Martin hat sich einen Holländer gekauft. Marke: Union Holland. Ein ausgesprochen elegantes Teil in Silber, mit Altherrnlenker bestückt, Nabenbremsen inklusive und einem Kindertöfflisattel. Inklusive hinteres Schutzblechanschweisen - innert 5 Minuten - ebenfalls für 40'000 CFA.

L'original c'est l'original



Da erscheint la cycle orange ein bisschen plump, dafür hat es ein Kämpferherz ich weiss es. ich bin sicher, ich bin überzogen. Dabei sind Cylcles auf den Rückzug. Leider. Aber wie die Esel sind auch die Stahlrosse - in Waga  und dans le pay - Auslaufmodelle. Wer kann kauft oder mietet sich einen 125er Roller. Made in China chez Kaizer. Nach 40'000 Kilometer fahren diese kleinen Schnäpper nur noch beschränkt, brauchen bei jedem Auftanken neues Öl, rauchen, stinken, röhren und sind bald zum Ausschlachten bereit. Derweil die guten allen Japaner- und Franzosentöffs, die hier auch cruisen, zuverlässig ihre Dienste verrichten. Poussière hin, poussière her, Qualität wiegt schwer.
Eigentlich wollte ich ja ein Peugotvelo, mais ... 85'000 CFA für ein wunderbar blaues mit Lion bestücktem Schutzblechvoren und in Bobo zusammengesetzt und angemalt, waren mir den dann doch ein zu grosse Investition; am Schluss wird es ja doch un cadeaux.

Peugot

Das nächste Mal gibt's wieder Theater und keine technischen Miniexkursionen.
Bizz de Waga.

Valentinstag; 22:22, 30,3 Grad.

Sonntag, 12. Februar 2012

Es stinkt nicht, ist aber sehr staubig: Franc CFA

Gross ist der Himmel über Waga. Gross spannt sich des dunkle Zelt, der kleine oder grosse?  Wagen zieht langsam vorbei, la lune nimmt ab. Samstagabend. Ausgang. Alles ist auf den Beinen, auf den Motos, den Velos, protz im quatrequatre. Das Kulturprogramm in Burkinas Hauptstadt ist so dicht, dass - wie in anderen Städten auch - die Auswahl ein Auf- und Abwägen. Und dann ist ja noch die CAN. der kleine Final steht an. Mali contre Ghana. Fussball oder Kultur? Oder beides? Le metteure en scène und la dramaturge entscheiden sich für  einen kurzen Theaterabend. Im Rahmen des:
PROJET DE MISE EN PLACE DE RELAIS LOCAUX du CITO
PUR LA PROMOTION CULTURELLE ET ARTISTIQUE
DANS TROIS REGIONS DU BURKINA FASO, brève CRAC genannt und unter der Federführung der Coopération Suisse, Ouagadougou und des CITO geführt, besuchen wir au siège de l’Association La dernière trompette (wäre ein schöner Titel für ein Jazzlokal!)  (Côté sud du Jardin du SIAO) eine Vorstellung. Luca Fusi hat mit jungen Laienschauspielern (Frauen wie Männer) ein 50-minütiges Stück eingespielt. Thema: Wie verständigen sich drei Generationen? Die Grosseltern sprechen Mooré, die Eltern Französisch und Mooré und die Enkel bedienen sich jener Sprachen, die trankil (das ist die SMS-Generation-Schreibweise) gerade angesagt sind. 
Eine kleine Bühne, drei Scheinwerfer, anhaltende Rückkopplung


Doch bevor die Aufführung auf der winzige Bühne, inmitten eines riesigen kahlen, mauerumzäunten Geländes und ohne eine einzige Trompete (la dernière trompette) stattfinden kann, spielt ein lokale Jugendband auf und singen und tanzen vier Grazien gegen alle Unbill der Technik an. Die Rückkopplungen sind so zahlreich, das Mikrophon derewäg mies, dass ich geneigt bin von Experimentalmusik zu sprechen. Oder von einer bodenlosen Frechheit den jungen Talenten gegenüber. Doch trankil, so ist das eben. Hauptsache elektronisch verstärkt. Unter dem Himmel von Waga hat vieles Platz. Aber auch die Promotion scheint nicht wirklich gelungen. Denn ausser ein paar wenigen Quartierkindern, einigen Freundinnen, Fans und natürlich les réprésentateurs, die wie immer alles repräsentieren was überhaupt zu repräsentieren ist, dem Regisseur, einem Junghund, drei mageren Hühnern und unsere Wenigkeit, scheint la CAN doch mehr Zuschauer anzuziehen. Also doch Fussball statt Kultur. Dem Theaterstück und jungen Akteuren ergeht es nicht viel besser, schliesslich müssen sie die selbe Musikanlage benützen. Verzerrte Textfragmente, Rückkoppelungen. Trotzdem Szenenapplaus, viel Gelächter und Freude. Trankil, so ist das eben. Dafür ist der Eintritt gratis.




Wobei wir beim Geld wären. Denn ohne Geld kein Theater. So einfach. Oder doch nicht ganz so einfach? Denn wie pflegt meine Mutter hin und wieder zu sagen: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ja woher kommt den nun die Kohle für unser Stück "SEVRAGE*". 
Achtung kleiner Einschub: Ja, richtig der Titel steht jetzt fest. Wir haben mit der ganzen Truppe abgestimmt und "SEVRAGE" hat das Rennen gemacht. "Goitre bangala" (das geschwollene Geschlecht) und andere geschlechtsteilbezogene Titel  galten zu guter Letzt als zu aufregend, respektive obszön ... Kleiner Einschub beendet. 
Stichwort Kohle. Wir müssen nicht stehlen. Wir erhalten Unterstützung (monetäre und andere) von zahlreichen Organisationenen aus der Schweiz und des C.I.T.O. Als wichtigste Geldgeberin sind das DEZA, das Fastenopfer und die Stanley-Thomas Stiftung zu nennen. Und ich bin  - und ich gehe davon aus, das gilt für alle anderen auch - dankbar dafür. Denn nur so ist es möglich die Künstler und alle an der Produktion beteiligten Burkinabé fair zu entlöhnen. Das heisst konkret erhält ein Schauspieler, eine Schauspielerin pro Monat 300'000 Franc CFA.  Zum Vergleich: Abfallentsorgung (oft Frauenarbeit in BF) kostet Einheimische zwischen 500 Centimes und 1000 Franc CFA im Monat (Quelle: Bata: unser Chauffeur). Ein Baguette frisch ist für 125 Centimes, ein Bier an der Bar 500 Centimes zu haben. Währungsumrechner. Und wir Schweizer-Beteiligten erhalten im Schnitt 3000 SFR. pro Monat, plus Logis und Flugkosten. Das Essen bezahlen wir selber. Unser verdientes Geld bleibt im Land. Muss im Land bleiben. Geld hält vieles im Fluss. Denn das monetäre Nord-Süd-Gefälle ist hier jeden Tag mit Händen zu greifen. Wir die Nassaras (die Weissen) sind immer die Reichen, sie, die Burkinabé sind praktisch immer die Armen. Ausnahme bildet einzig die reiche Oberschicht, die genauso pervers reich ist, wie unsere Milliardäre. Der Rest ist oft zum Heulen. Und nicht immer einfach auszuhalten. Zerlumpte Kinder, stinkend vor Dreck , hungrig, krank, oftmals behindert, verlassen stehen sie an jeder Strassenecke. Gemeinsam mit Müttern, deren Säuglinge an mageren Brüsten Milch nuckeln. Fliegenschwärme trinken Augenwasser, stechen und verteilen den Dreck partout. Jeden Tag stellt sich die Frage: Wem gebe ich heute was von meinem Geld ab. Dem Jungen an der zweiten Kreuzung, oder der Frau, die gestern an der dritten Kreuzung stand? Oder dem blinden Tuareg, geführt von einem kleinen Mädchen, das doch eigentlich die Schule besuchen sollte? Oder doch wieder einmal einen grossen Betrag einer Familie? Aber welcher. Le plus sympa oder die jüngste, die kinderreichste, die älteste? Die Entscheidung wird jeden Tag neu getroffen und ist nicht einmal ein Tropfen auf einen glühenden Stein.
Und Europe schottet sich weiter ab, hält die Grenzen dicht. Die Schweiz mittendrin - und es ist zum Kotzen -  mit Gemeinden, die stolz darauf, wenn sie es mit Hilfe der rechten Politikersekte geschafft haben, dass KEINE Flüchtlinge auf ihrem Gemeindeboden, vorübergehend (!!!), versteht sich, aufgenommen werden. Europa foutiert sich immer weniger um die Einhaltung der Menschenrechte. Und Nein es gibt nichts, worauf wir mit unserer aktuellen Migrations-Politik stolz sein können. Wer wissen will, wie es ist als Illegaler nach Europa zu gelangen, dem sei Fabrizio Gatti's: "Bilal, als Illegaler auf dem Weg nach Europa" empfohlen.


Schluss mit Geld, zurück zur Equipe. Wir sind jetzt vollständig. Martin Bölsterli gehört ab heute - mit einem  Temperaturunterschied von 44 Grad in Knochen - zum Team. Bon arrivée! 
Kaum angekommen, bereits im Einsatz: Martin Bölsterli


*SEVRAGE = Abstillen, Sex verweigern, Entzug 
ps: 35.5 Grad






Donnerstag, 9. Februar 2012

Eine Sitzung ist eine Sitzung ist eine Wahnsinnsarbeit

Augusta, Patricia, Max von hinten, Monique und im Hintergrund Adajara, la costumière
Die wöchentliche Réunion de production steht an. Anwesend sind: Augusta und Soumaïla, genannt Soum, sie beide vertreten die Interessen der Schauspieler. Das C.I.T.O. ist durch Honoré, Régisseur genéral - und meinem winzigen Glauben nach, der einzige westafrikanisch Veganer, den ich kenne - vertreten. Wobei ich zugeben muss, dass ich auch in der Schweiz bisher nur wenige bis gar keine Kontakte mit und zu und über VeganerInnen hege oder gar pflege. Die Karnivoren stehen mir einfach näher. Moi, personnellement. Weiter im Text, nicht geschwätzig werden, jetzt. Also: Adajera, die Kostümbildnerin, die moniert, dass sie ohne Geld schlicht und ergreifend  keine Kostüme nähen kann ...  

Amado, Formateur Lumière und seine Stagiare Lumière und Mabrou, einer der beiden Musiker. Monsieur Zongo, Administrteur des C.I.T.O. und on top der Hierarchiestufe lässt sich, wie bereits notiert, durch Honoré vertreten, da er wichtige Abschlüsse machen muss. So beginnt die Réunion nicht exakt so wie immer. Will heissen das Protokoll wird nicht ganz so streng eingehalten. Denn en géneral, erteilt Monsieur Zongo das Wort oder man fragt, durch Handaufheben - alte Schule eben - "peux-je prender la parole?" Ansonsten hält man in der Regel und keine Regel ohne Ausnahme, die Reihenfolge, so wie sie Monsieur Zongo gerade eben vorschlägt, ein. Compris! Das heisst, die Reihenfolge kann ändern, nicht aber das Handaufheben, das ist so obligatorisch wie unsere Feldschiessen. Ordinäres Dreingequatsche wird mit strengen Blicken geahndet. Kommt aber - je nach Hitze und Thema trotzdem vor.  Heute ergreift Mabrou, einer der Musiker das - ich sage das jetzt frank und frei - erste Wort, nachdem ihm le metteur en scène, Roger Nydegger eben dieses erteilt hat. Dabei wäre es an Honoré gelegen, dies zu tun. Aber Honoré ist nicht nur Veganer, sonderen auch ein Rastamann und sehr cool. Er lächelt in die Runde und wirkt sehr entspannt. Mabrou wird postwendend von den beiden rèpresentateur des Comédienes darüber belehrt, dass er seine Anliegen künftig über sie einspeisen sollte, sonst bräuchte es die Répresentateurs gar nicht... Es ist das alte Lied: die linken Weissen, nicht die weisen Linken, und die Hierarchie ... Mabrou spricht quand même (eine der Ausnahmen eben) und erzählt wie schwierig die Zusammenarbeit mit Si Béma ist. Das Zusammenspiel sei kein Zusammen, sondern Solo und Solo. Aha. Das lag ja in der Luft, war seit Anbeginn der Proben virulent. Ihre Musikvorschläge haben bis heute nicht  überzeugt, weder die Choreografin, noch die Schauspieler, noch die Regie, noch la dramaturge, noch sie selbst. Da Si Béma nicht anwesend ist, wird nicht weiter darauf eingegangen, aber quand même ist das Problem erkannt und man wird eine Réunion mit beiden einberufen um alles ( vielleicht nicht ganz alles) zu klären.
Bus Thèâtre de la fraternité - der C.I.T.O.-Bus ist in einem ähnlichen Zustand
Weiter im Text.  Die Schauspieler warten noch immer auf ihren Vertrag. Einen Vertrag inkl. der vorgesehenen Tournée oder zwei verschiedene Verträge? Honoré weiss nichts genaues, Monsieur Zongo wird sich den Verträgen annehmen. Zur Information: Für die Schauspieler und Schauspielerinnen ist es wichtig einen gültigen Vertrag in der Tasche zu haben, denn nur so sind sie krankenversichert. Ohne Engagement, keine Krankenkasse.  Und krank ist man hier schnell einmal. Zudem schlagen les répresentateurs des Comédienes vor, dass das C.I.T.O.  für die vorgesehene Tournée einen neuen Bus kauft, denn der jetzige Bus ist mehr Vehikel und Schüttelkiste, denn Fahrzeug. Honoré notiert und wird dies weiterleiten. Und so geht es weiter bis nach rund 90 Minuten alles notiert und festgehalten  ist. Ausser dem Stücktitel, der steht noch immer nicht. Obwohl eigentlich mein Ziel war, dass wir nach dieser Réunion endlich wissen, wie unser Stück heisst ... Schliesslich steht das Aufgeleisen der Homepage seit Wochen an ... Und das Plakat, und die Pressearbeit, und die Promotion und was habe ich vergessen? Il n'y a pas de problème, ça va aller. Eben schaut unser Hausgecko Nummer 2, der kleine, über meine Schulter und ich habe das gute Gefühl, dass ihm mein Getippse scheissegal ist, Hauptsache die Klimaanlage funktioniert nicht ... Und im Garten singen die Grillen und unser Gardien wacht über uns. 

Hausgecko Nr. 2





Montag, 6. Februar 2012

Schlaflos in Waga und wie tönt Krieg?

Unruhige Stunden. Dramatischer Wetterumschwung. Es knirscht im Gebälk, Türen schlagen auf und zu, es zieht durch sämtlichen Ritzen, Löcher, undichten Fenster, Türen. Er - Monsieur Harmattan - zeigt seine Zähne. Die ganz Nacht bläht er seine Backen, peitscht ohne Unterbruch Wüstensand über's Land, wirbelt, zwirbelt, spielt Böen gegeneinander aus. Selbst unser Hausgecko bleibt lieber - trankil - in seiner Villa, unserer aussser Kraft stehenden Klimaanlage. Schlaflos in Waga. Um 4 Uhr der erste Weckruf und ab 5 Uhr ruft der Muezzin zum Gebet auf. Endlos gedehnte Vokale,  preisen Allah al akbar. Dazwischen kräht ein Hahn, startet ein Chauffeur seinen stinkenden 40-zig Tönner, jodelt sich unser Quartierrudel Basenji in den Tag. Ca bouge.
Harmatten en Ouaga
 Das Aufstehen macht keine Freude. Der Feinstaub hat sich überall festgesetzt. Einmal die Nase schnäuzen und rot ist das Tuch. Die staubgeschwängerte Luft ist deutlich kühler. Aber nicht nur der Muezzin ruft, le boulot ebenso. Auf dem Weg zum l'espace Gambidi wähnen wir uns im tiefsten Nebel. Kein Himmel, Sichtweite 10 Meter und ein bisschen mehr. Dafür eine Feinstaubbelastung, die in unserer properen Schweiz sofort im Minimum zu zehn Anfragen im Parlament führen würde ...
Hier kaufen sich die Burkinabées, die es sich leisten können Gesichtsmasken (chinesische) oder binden sich Tücher um den Kopf. Beurre de karité schützt vor den Austrocknen der Nasenschleimhäute und ist überhaupt und ohne  Fragen oder Zweifel eine Universalcrème. Und allen Frauen sehr zu empfehlen.
Unser Schauspieltruppe steht trotz misslicher, staubiger Anreise - sie kommen per Moto oder Velo, nicht wenige fahren rund 45 Minuten von A nach Gambidi - pünktlich auf der Matte.
Wir, das heisst le metteur en scéne, la dramaturge et la choréograph Adjara sind heute gespannt auf die Vorschläge der Musiker. Dembele Mabrou und Konate Si Béma spielen traditionelle westafrikanische Instrumente wie N'goni, Balafon, Djembe, Bara, Tamani.
Sie hatten zwei Wochen Zeit, sich zu den einzelnen Szenen Musikstücke, Klangteppiche oder Ambiente auszudenken.
Balafon

Konkret wäre das: Einlassmusik. Was wird gespielt wenn das Publikum - in Scharen, Inshallah - ins Theater C.I:T.O strömen wird? Und wie wird der Krieg von Szene 1 tönen? Maschinengewehre, Grananteneinschläge, Raketenabschüsse. Welches Lied wird zur Ankunft der Frauen im maison de la femme gespielt? Und bei der Besetzung der poudrière (Waffenarsenal). Und und und, jede einzelne Szene braucht Klang, Musik, Ambiente. Musik transportiert Emotionen, Stimmungen, unterstützt, legt vor, legt auf, regt an, heizt auf und lässt die Hüften kreisen ... im besten Fall. Wir sind noch nicht im besten Fall. Und wir stellen fest, dass es gar nicht so einfach ist unsere musikalischen Wünsche umzusetzten. Oder haben wir uns nicht klar ausgedrückt? Und stellen weiter fest, dass es für Adjara auch nicht einfacher ist, obwohl sie sich mit den Musikern in Morée unterhalten kann. Auf die Nachfrage, ob die beiden das Stück gelesen haben, werden wir darüber aufgeklärt, das Lesen (französisch) gar nicht geht. Aha. D'accord. Kurz bin ich irritiert. Dabei weiss ich doch, dass rund 60% der Bevölkerung von BF nicht Lesen und Schreiben kann. Und jetzt? Wir diskutieren nochmals alles durch und on verra le mercredi. Musik transportiert Emotionen.
In der Zwischenzeit haben sich die Schauspielerinnen und Schauspieler aufgewärmt und wir beginnen mit den Proben. Alltag in Waga.

Gewehrsalven? Kriegsgeräusche?


Samstag, 4. Februar 2012

L'image du weekend

salle de rèpetition Gambidi

Detail Klett

Prototyp "gefüllt"

en route vers Koudegou

mare aux crocodiles sacrés - le metteur en scène


mare aux croco

la secheresse

en panne



Et voilà: 32 degrées. 
Gestern die zweite Probewoche beendet. Für das Bühnenbild und zur Probe stehen uns nun drei mobile Elemente und zwei Bänke zur Verfügung. Ausserdem ist unser Fundus mit zwei Militärhemden, fünf zivile Hemden, diverse Frauenkleider, Schmuck, ein paar High-heels, eine Perücke, drei Gürtel - alles Import Brockenhaus Wiedikon - bestückt. Ab Montag werden wir noch ein paar Gewehre (Holz) aus dem C.I.T.O-Fundus zur Probe haben. Und bestellt sind: 28 Lenkrollen mit Feststeller, 75mm samt Schrauben und tututu.
Zu den bisher vorgeschlagenen Titel hat die Administration des Cito ein Veto eingereicht. Die Vorschläge unserer Truppe seinen zu vulgär, ja obszön (siehe blög) Wenn wir das Wort Vagina im Titel hätten, würde dies ausserdem das falsche Publikum anziehen ... Und die Landbevölkerung vor den Kopf stossen. Jawohl. Unsere jungen Schauspieler zeigen Verständnis und finden es quand même ein bisschen old fashion. Generationenproblemchen partout. Wobei ich mir einen Gedanken zum falschen Publikum geleistet habe, für mehrere ist es mir zu warm. Vielleicht wäre das falsche Publikum ja das richtige und vielleicht ist das richtige ja das falsche? Neuster Vorschlag, vom Monsieur le directeur: sevrage (Abstillen, Drogen-Entzug).  Sexstreik, Sexentzug... On verra.

Nach der Arbeit das Vergnügen. Samstag, mässig in der Früh. Nous sommes en route. Wir gehen Krokodile schauen, füttern (Lebendfütterung, versteht sich) und lassen uns die heiligen Krokodile von Bazoulé vorführen. Was auf den ersten Blick wie eine prächtige Touristenfalle daherkommt (und quand même auch eine ist), ist auf den zweiten Blick eine der wenigen privaten Initiativen, von der ein ganzes Dorf profitiert. Und sich mit den vielen Urviehchern im Tümpel ein Schule und eine minimale Altersvorsorge - sprich wenn es ganz hart kommt, kauft der Dorfchef Reis für die Alten und Mittellosen - leisten kann. Der Dorfchef war lange gegen den touristischen Ausbau, weil er fürchtete, seine Gemeindemitglieder werden zu diesen komischen Nassaras (Weissen) moutieren. Der Erfolg oder besser die Einnahmen haben ihn wohl eines besseren belehrt. Das Konzept ist simpel. Ein Wassertümpel, Touristen (heimische, viel ONGs ) und ganze Busladungen von Schulklassen (Privatschulen quand même), die Poulets kaufen (früher waren es Frösche) und ein paar Guides, die mit den (quand même) leicht panischen Hühnern die Crocos an Land locken. Dort dürfen alle, die ein Poulet bezahlt haben, ihr Füsse auf das Croco stellen oder sich gar drauf setzen und zu guter Letzt das Croco am Schwanz fassen. Wer sich traut, dem ist das Glück hold. Noch Fragen? Und dann zappelt das Hühnchen vor der Crocoschnauze und allez hopp ein grosser imposanter Sprung und zweimal, dreimal zugebissen und unser 2Franken20Rappen Huhn ist Vergangenheit.








Mittwoch, 1. Februar 2012

Was ist ein Prototyp?

Angenehme 29 Grad, eine kleine Brise und eine Produktionssitzung, die schneller als je gedacht fertig war. Alle habe alle gelobt, alle sind mit allen zufrieden, alle sind guter Dinge. Regie, Schauspiel, Dramaturgie, Bühnenbild, Licht, Kostüm, Produktion und alle Assis. Alle ausser l'auteur.
Gestern eine vierstündige Monstersitzung mit Ildevert Meda und seinem Assistenten Thierry. Was ist die Arbeit eines Autoren? Was muss, was darf, was kann man verlangen? Was ist eine Adaptation? Wie viel Spiel, wie viel Kohärenz, wie viel Lokalkolorit, wie viel Original muss sein? Das Publikum in Ouaga ist in der Regel gebildet, das Publikum auf dem Lande kann in der Regel weder Lesen noch Schreiben, noch versteht es Französisch ... Und wir Schweizeuropäer sind anders getaktet wie Westafrikanerinnen. Mais pas de problem, ça va aller. Autorinnen und ganz speziell Autoren, sind in der Regel komplizierte, kapriziöse, und sehr, sehr sensible Menschen. Mit ihren feinen Antennen sind sie auf Dauerempfang, filtern, destillieren, interpretieren alles und jedes was sich regt und schwebt. Sie sind dem Unsicht- und das Unhörbaren genau so verfallen, wie dem Feinstofflichen und dem Grobschlächtigen. Sie sind lesesüchtig, mehr oder weniger tüchtig, flüchtig. Sie sind Scharlatane, Verführerinnen, Mütter, Stinksocken, Kopffüssler, Jongleure, Huren, Krankenschwestern, Garagisten. Und oftmals sind sie einfach überlastet mit allen und jeden tructruc eben sehr, sehr sensibel. Und wollen doch nur geliebt werden. Also zumindest der Prototyp.
Der Prototyp der Regisseurs ist ebenfalls - und hier haben wir schon viel weniger Frauen - sehr, sehr sensibel und wie die Autorenschaft auch: Alpha. Und Macher, Umsetzer, Über-setzer, Interpret, Hebamme, Psycho und Logos, Spielsüchtig und ebenfalls auf Dauerempfang. Und sehr, sehr sensibel und will auch nur geliebt werden. Also zumindest der Prototyp.
Und so kann man sich denn leicht vorstellen, dass so eine Sitzung, bei der es darum geht, dem Autor klar zu machen, dass seine Arbeit noch nicht ganz dem erwarteten Resultat, sprich Stück, respektive jener Adaptation entspricht, die man irgendwie nach zig Mails und Telefonaten glaubte erwarten zu können, dass so eine Sitzung länger dauert und dauert und dauert. Les acteures et nous (le metteur en scene et la dramaturge) wollen einen Text, der bespielbar umsetzbar ist, der verstanden wird, auch ohne einen dreifachen Hochschulabschluss ... und Anspielungen, die für alle Gebildeten interessant, für das grosse Publikum "gähn" sind.  Héééé, ein Sexstreik ist keine intellektuelle Spiralschnecke. Aber natürlich ist das alles leichter erwartet, denn gemacht. Man hätte sich eben doch in Brüssel treffen sollen und hätte eben doch unbedingt noch diesen Zusatzfranzösischkurs belegen sollen etetet... Kommunikation per Mail c'est la merde, wir wissen es doch und machen es doch.
Da bietet sich der Prototyp der Scénographen für unser Bühnenbild als geradezu wunderbar einfach - innert einer Stunde gezimmert -  et un plus heilsam an. Es geht doch! Martin, Dao, Abdoulaye und Sonia sei's gedankt. Update folgt.

Prototyp  Detail

Prototyp Integral


Ansicht Prototyp Rahmen und Bank