Am Sonntag
Ausflug in den Stadtpark von Ouagadougou. Der Park ist in drei Teile aufgeteilt
und so sind auch die Eintritte gewertet. Mit oder ohne Tierpark, mit oder ohne
Rummelplatz, das gemeine se promenader. Wer fotografieren will, muss
ebenfalls einen Zuschlag zahlen. Der Park ist grosszügig, verlaufen kann man
sich darin trotzdem nicht. Was für eine Wohltat, endlich wieder einmal ohne
Autos und deren Gestank, ohne Töffli und deren Gestank, ohne Lastwagen und deren
GESTANK und ohne Nackenschauer raumgreifend spazieren zu gehen. Trankil und
entspannt. Denn das Konzept Fussgänger ist in Ouaga unbekannt. Folglich hat es
auch keine Trottoirs. Das heisst im eh schon überfüllten Fortbewegungsraum ist
man als Fussgängerin ein einziges Hindernis.
Wer es sich
leisten kann, fährt Quatrequatre (4x4), je fetter, desto besser, dann
absteigend, je nach Budget, bis zum Velo, Eselskarren (selten geworden). Verkehrsregeln
werden lieber nicht und nur wenn nötig eingehalten. Abbiegen ist mehr ein
Abschneiden, denn ein richtiges Einspuren. Etc.
Zurück in
den Park. Diese schönen Bäume. Mimosenbäume und deren süsser Duft, die ganze
Umgebung verzaubert. Bäume mit kleinen, tiefroten Blüten, Bäume mit grossen
hölzernen Früchten, Bäume, deren Namen ich leider nicht kenne. Stolze, alte
Persönlichkeiten, die sich allen Winden zum Trotz in die Höhe erhoben haben.
Unterbrochen immer wieder von kleinen Nischen mit Bänken – die meisten, ob aus
Holz, Beton oder Eisen – zerfallen, verbogen, verrottet. Zeugen des
unermüdlichen harten Klimas in Westafrika. Hier nagt der Zahn der Zeit schnelle
als irgendwo sonst. Doch das tut der Romantik keinen Abbruch. Man kann
schliesslich auch auf einer verbogenen Bank seinen Hintern platzieren. Er
voilà.
Dann kleine
Gartenanlagen à la française. Mit Rasen, Rabatten, Rondellen. Ein Ort für
Selfies, ein Ort für Verliebte, auch wenn Rasen betreten verboten ist.
Und
tatsächlich treffen wir – auf ein paar wenige, aber immerhin – Verliebte.
Turtelnd, Händchenhalten, kichernd, scheu. In allen Altesklassen.
Vielleicht
hat es mit meinem Altern zu tun, vielleicht mit den Attentaten, was weiss ich,
es berührt und stimmt mich – und auch Christoph, den Jungspund – wie wir uns versichern, froh.
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Blick über den Zaun - Chilbi im Stadtpark von Ouagadougou |
Des bonnes
nouvelles: Die Ausgangssperre (le couvre-feu) wurde aufgehoben. Eine Massnahme,
die seit den Ereignissen im Herbst 14 Bestand hatte. Wir erinnern uns: Nach
28-jähriger Pseudodemokratie und Quasidiktatur wurde Blaise Compaore, von
seinem eigenen Volk in die Wüste gejagt. Eine Übergangsregierung wurde
vereidigt, die 2015, Wahlen durführen sollte. Was wiederum durch einen Putsch,
angeführte von einem ehemaligen Weggefährten von Blaise, General Dinedéré samt
Sturmtruppe (ehemalige Präsidentengarde und als solche gut ausgebildet und gut
mit Waffen bestückt und mit grosser Wahrscheinlichkeit gut orchestriert aus dem
Blais`schen Exil in der Côte d’Ivoire) beinahe vereitelt wurde. Doch bereits
einige Tage später ging dem Spuk die Spuke aus. Denn einmal mehr ging das ganze
Volk, vereint in den Städten, wie auch auf dem Land auf die Strasse, zeigte
sich, bezog Stellung und das Militär zog mit. Die Putschisten hatten keine
Chance. Der Putsch, von den Burkinabè als der dümmste Putsch aller Zeiten
verhöhnt, wird in die Annalen von Burkina Faso eingebrannt sein. Einige
Putschisten sind noch immer frei und zur Fahndung ausgeschrieben. Man geht
davon aus, dass der Überfall, vor ein paar Tagen, auf ein Waffenlager in der
Nähe von Ouaga auf ihr Konto geht. Die Wahlen fanden dann verspätet, gleichwohl
statt. Zum Stolz der Burkinabè. Und bald sollte auch die Ausgangsperre
aufgehoben werden. Das Attentat vom 15. Januar 2016 verlängerte die Ausgangssperre. Aber jetzt
soll wieder eine Stück mehr der Normalität zu geniessen sein. Jeden Tag.
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Mimosen gegen Neurosen - Stadtpark in Ouagadougou |
Seit den
schrecklichen Ereignissen haben die Tamashek (Tuareg) ihre Turbane abgelegt. Da
sich unter den Attentätern ein verschleierter, sprich Mann mit langem
Kopf-Wickeltuch, befunden haben soll, muss sich sie die Gemeinschaft der
Tamashek vorsehen. Sie, die eh mehr geduldet, den geachtet sind in Burkina
Faso. Sie haben Angst davor geschlagen, wenn nicht gar getötet zu werden. So
geben sie sich nun als Peul, ein nomadisches Hirtenvolk in Westafrika, zu
erkennen. Für sie ist das couvre-feu, noch nicht wirklich beendet.
Denk ich an
unsere Rückkehr in der Nacht, werd ich fast um den Schlaf gebracht ... Nicht
aus Angst, aber wenn ich in den Medien die Umfrageergebnisse zum
Abstimmungswochenende Ende Februar lese, kommt mir die Galle hoch. Ätzend. Dahin,
wo diese Menschenmehrheit wohnt, will ich zurück? Buah. Aber natürlich, will
ich. Meine Liebsten wiedersehen. Und das sind deren einige. Und genaus so, wie
die Menschen hier um jeden Meter Würde und Freiheit gekämpft haben und
weiterkämpfen, genau so muss man, muss ich, müssen wir auch in der Schweiz
weiterkämpfen. Wir dürfen das Terrain den rechtsnationalen Populisten nicht
überlassen. Sie sind schon viel zu weit gekommen mit ihrer Demokratur, weil
eine schlafende Mitte, eine gesättigte Sozialdemokratie k(l)eine Positionen
beziehen, dümpeln, mümpeln. Und viele Medien mit ihnen. Wir sind uns alle
einig, dass es komplexe Themen zu lösen gilt. Das Kompromisse gemacht werden
müssen. Dass es keine einfachen Rezepte gibt, aber es ist verdammt nochmal
Sache der Politiker und den Innen, diese Sachverhalte einfach und verständlich
zu formulieren. In einer Sprache, mit Metaphern, die verstanden und nicht missverstanden werden.
Ein Schweinehund bleibt ein Schweinehund, auch wenn der Hund an der Leine ist.