Das Leben als Schauspieler oder Schauspielerin in
Westafrika ist definitiv keine
Zuckerwatte. Wer sich nicht vernetzt, hat keine Chance auf einen Job. Die
Konkurrenz ist gross, die Konkurrenz kennt kein Erbarmen, die Konkurrenz
schläft nie. Das wissen auch die Regisseure, Festivalveranstalter, Produzenten,
Geldgeber auf allen hierarchischen Stufen. Gnadenlos spielen sie die Künstler
gegeneinander aus. Fehlende Finanzen – la crise financière en Europe – können
immer geltend gemacht werden. Versprochene Saläre werden gekürzt, um unerfahrene,
junge Schauspieler für weniger als ein halbes baguettes einzustellen. Älter
werde gegen Jüngere, Professionelle gegen Laien ausgespielt. Und die hungrigen
Jungen lassen sich in der Regel nicht lange bitten, denn die Konkurrenz ist
gross, die Konkurrenz kennt kein Erbarmen, die Konkurrenz schläft nie. Und
immer kreisen auch diese, nie verstummenden, Gerüchte über den Bühnen: Job für
Sex, junge Frau für alten Schwanz; auch die sexuelle Ausbeutung ruht nicht Das
Wichtigste ist: mit mindestens einem Fuss im Business zu stehen. Wer sich
wehrt, wer sich beklagt, riskiert schnell einmal auf die unsichtbare schwarze
Liste zu gelangen. Rebellen sind nicht beliebt. So ist die dauernd beschworene
Solidarität, nicht mal ein Lippenbekenntnis wert, wenn überhaupt.
Aber woher soll man auch wissen, dass es sich lohnen, würde
gemeinsam zu kämpfen, gemeinsam hinzustehen und Forderungen stellen, wenn man
keine Erfahrung, aber auch keine Vorbilder hat? Kämpfen will gelernt, will
erfahren sein. Schliesslich ist es auch in der Schweiz, mit allen Ab-, und
Versicherungen sehr schwer Arbeitnehmende zu bewegen. Und der 1. Mai ist für
die meisten einfach ein freier Tag und kein Anlass, darüber nachzudenken, dass
jedes Recht, jede Versicherung und der Respekt für Krampfer, für
Dienstleisterinnen, für Studis, für Hilfskulis, für Handwerker, für
Künstlerinnen, für die Intelellos, für
alle, die arbeiten, nicht einfach so vom Himmel gefallen sind. Dahinter stehen
immer auch Menschen, die eben nicht die Schnauze halten, die verhandeln,
Kompromisse suchen, Hinstehen, Meinung kund tun und allenfalls auch streiken.
Auch bei uns gilt: Lieber die Faust im Sack und den Kopf in den Sand. Nicht
auffallen um nicht reinzufallen, in die grosse Existenzangst.
Und hier in Burkina Faso existiert im Falle eines Streiks
der Schauspieler weder eine Streikkasse, geschweige so etwas wie ein minimaler
Verdienstausfall.
Doch zum Glück besteht immer auch Hoffnung. Hüben wie
drüben.
Wie der aktuelle Fall zeigt. Beginnen wir mit der Struktur.
„Le
Cartel est une structure d’administration et de gestion commune mise en place
par quatre compagnies de théâtre burkinabé : la Compagnie Falinga, le Théâtr’
Evasion, le Théâtre Eclair, et l’AGTB. Ces compagnies développent, depuis
plusieurs années, des projets conjoints et des projets propres et connaissent
des besoins croissants dans le domaine de l’administration, du suivi et de la
gestion de projets. La vocation première du Cartel est donc de constituer un
instrument d’administration et de gestion professionnel et performant.“
Eines
der Projekte, das seit 2002 alle zwei Jahre über die Bühnen geht: Les
Récréâtrales.
„Depuis
2002, les Récréâtrales, Résidences de création, de formation et d’écriture
théâtrales panafricaines, ambitionnent donc d’offrir, bi-annuellement, à des
équipes de création du continent ce qui leur manque le plus à ce jour : du
temps (pour créer), de l’espace (pour s’épanouir), des compétences (pour
encadrer les processus et professionnaliser les démarches), des opportunités
d’échange (pour confronter son travail au regard d’autres créateurs du
continent), des moyens techniques et logistiques (pour faire de ces créations
des produits artistiques complets et non des ébauches d’emblée amputées car
marquées du sceau de la pauvreté).
L’idée a
séduit les partenaires et enthousiasmé les artistes, si bien qu’à six reprises
déjà, les Récréâtrales ont pu proposer un véritable espace de déploiement et de
renforcement de leurs capacités créatrices aux professionnels de la scène du
continent :
• en
accueillant en résidence durant deux à trois mois quatre à six projets de
création provenant de pays différents,
• en
apportant à l’auteur du texte, qui accompagne le projet, le soutien d’un expert
extérieur et en lui donnant l’occasion de confronter son écriture à la scène
et, ce faisant, de la peaufiner, voire de la modifier,
• en
proposant aux comédiens et metteurs en scène des modules de formation
complémentaires adaptés à leurs besoins,
• en
mettant à disposition des créations des espaces de répétition et une
infrastructure technique optimale,
• en
suscitant auprès de l’ensemble des participants une réflexion partagée autour
des problèmes de la création théâtrale contemporaine sur le continent et de sa
diffusion,
• en organisant,
en fin de parcours, une confrontation au public qui, sous forme d’un festival,
constitue une première occasion de montrer les résultats du processus créatif à
une large audience, mais aussi à quelques spécialistes (organisateurs de
festival, promoteurs culturels du continent et d’ailleurs).“
Soweit die
Struktur, soweit die Bekenntnisse. So weit, so gut. Aus dieser Struktur heraus
entstehen viele grossartige Projekte. Die Récréâtrales sind die Plattform für Künstlerinnen
und Künstler um sich zu präsentieren und für die Festivalveranstalter, die
Möglichkeit sich einen Überblick zu verschaffen, und allenfalls eine Compagnie
einzuladen. Finanziert werden die Récréâtrales mit den Kulturetats aus diversen
europäischen Ländern, die Schweiz ist mit von der Partie.
Von den vielen eingereichten Projekten erhielten 7 ein
„Allez!“. Und 2 grosse Namen in der Kulturszene von BF eine Carte blanche. Dabei:
Irène Tassembedo, ihres Zeichens ein Urgestein in der Tanzszene von Westafrika.
Eine beeindruckende Frau. Die Löwin unter den Elefanten, wie die grossen
Theatermacher hier genannt werden. Irène
Tassembédo, Tänzerin, Choreografin, Förderin und Kämpferin für die Tanzszene.
Sie unterhält eine Ausbildungsstätte für Tänzerinnen, fördert, unterstützt,
bewegt. Sie bietet Kurse für Kids und tututu an, pflegt den internationalen
Austausch. Und ihr Espace erreicht locker europäischen Standart. Schöne Sääle,
funktionierende Infrastruktur, alles propre, alles tipptopp.
Irène Tassembédo verschrieb sich für das Projekt 2012, mit
über 20 Schauspielern, Tänzerinnen, Musikern den Bacchantinnen von Euripides.
„Dionysos, Sohn
des Zeus und der Semele, der Gott des Weines und des Rausches,
ist – in Menschengestalt – in seine Geburtsstadt Theben zurückgekehrt, um sich an deren Bewohnern zu rächen, die seine Göttlichkeit
nicht anerkennen. Er lässt alle Frauen der Stadt in einen Wahn verfallen und
führt sie heraus auf den Berg Kithairon - darunter auch Agave, die Mutter des Herrschers Penthaus. Boten berichten, die Frauen lebten mit
wilden Tieren und schlügen mit Thyrososstäben gegen die Felsen, so dass Wein
herausquelle. Als man sie gestört habe, hätten sie mit übermenschlichen Kräften
alles zerstört, was ihnen in den Weg gekommen sei.“ (Wiki)
Über drei
Monate arbeitete sich die Companie in dieses antike Stück, über die Herrschaft,
ein. Improvisierte, lernte Texte auswendig, tanzte, tanzte, tanzte.
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