Montag, 1. Oktober 2012

Oser Lutter – Savoir Vaincre / verarschen können wir uns selber!



Das Leben als Schauspieler oder Schauspielerin in Westafrika  ist definitiv keine Zuckerwatte. Wer sich nicht vernetzt, hat keine Chance auf einen Job. Die Konkurrenz ist gross, die Konkurrenz kennt kein Erbarmen, die Konkurrenz schläft nie. Das wissen auch die Regisseure, Festivalveranstalter, Produzenten, Geldgeber auf allen hierarchischen Stufen. Gnadenlos spielen sie die Künstler gegeneinander aus. Fehlende Finanzen – la crise financière en Europe – können immer geltend gemacht werden. Versprochene Saläre werden gekürzt, um unerfahrene, junge Schauspieler für weniger als ein halbes baguettes einzustellen. Älter werde gegen Jüngere, Professionelle gegen Laien ausgespielt. Und die hungrigen Jungen lassen sich in der Regel nicht lange bitten, denn die Konkurrenz ist gross, die Konkurrenz kennt kein Erbarmen, die Konkurrenz schläft nie. Und immer kreisen auch diese, nie verstummenden, Gerüchte über den Bühnen: Job für Sex, junge Frau für alten Schwanz; auch die sexuelle Ausbeutung ruht nicht Das Wichtigste ist: mit mindestens einem Fuss im Business zu stehen. Wer sich wehrt, wer sich beklagt, riskiert schnell einmal auf die unsichtbare schwarze Liste zu gelangen. Rebellen sind nicht beliebt. So ist die dauernd beschworene Solidarität, nicht mal ein Lippenbekenntnis wert, wenn überhaupt.

Aber woher soll man auch wissen, dass es sich lohnen, würde gemeinsam zu kämpfen, gemeinsam hinzustehen und Forderungen stellen, wenn man keine Erfahrung, aber auch keine Vorbilder hat? Kämpfen will gelernt, will erfahren sein. Schliesslich ist es auch in der Schweiz, mit allen Ab-, und Versicherungen sehr schwer Arbeitnehmende zu bewegen. Und der 1. Mai ist für die meisten einfach ein freier Tag und kein Anlass, darüber nachzudenken, dass jedes Recht, jede Versicherung und der Respekt für Krampfer, für Dienstleisterinnen, für Studis, für Hilfskulis, für Handwerker, für Künstlerinnen,  für die Intelellos, für alle, die arbeiten, nicht einfach so vom Himmel gefallen sind. Dahinter stehen immer auch Menschen, die eben nicht die Schnauze halten, die verhandeln, Kompromisse suchen, Hinstehen, Meinung kund tun und allenfalls auch streiken. Auch bei uns gilt: Lieber die Faust im Sack und den Kopf in den Sand. Nicht auffallen um nicht reinzufallen, in die grosse Existenzangst.
Und hier in Burkina Faso existiert im Falle eines Streiks der Schauspieler weder eine Streikkasse, geschweige so etwas wie ein minimaler Verdienstausfall.

Doch zum Glück besteht immer auch Hoffnung. Hüben wie drüben.

Wie der aktuelle Fall zeigt. Beginnen wir mit der Struktur.

„Le Cartel est une structure d’administration et de gestion commune mise en place par quatre compagnies de théâtre burkinabé : la Compagnie Falinga, le Théâtr’ Evasion, le Théâtre Eclair, et l’AGTB. Ces compagnies développent, depuis plusieurs années, des projets conjoints et des projets propres et connaissent des besoins croissants dans le domaine de l’administration, du suivi et de la gestion de projets. La vocation première du Cartel est donc de constituer un instrument d’administration et de gestion professionnel et performant.“

Eines der Projekte, das seit 2002 alle zwei Jahre über die Bühnen geht: Les Récréâtrales.

„Depuis 2002, les Récréâtrales, Résidences de création, de formation et d’écriture théâtrales panafricaines, ambitionnent donc d’offrir, bi-annuellement, à des équipes de création du continent ce qui leur manque le plus à ce jour : du temps (pour créer), de l’espace (pour s’épanouir), des compétences (pour encadrer les processus et professionnaliser les démarches), des opportunités d’échange (pour confronter son travail au regard d’autres créateurs du continent), des moyens techniques et logistiques (pour faire de ces créations des produits artistiques complets et non des ébauches d’emblée amputées car marquées du sceau de la pauvreté). 
L’idée a séduit les partenaires et enthousiasmé les artistes, si bien qu’à six reprises déjà, les Récréâtrales ont pu proposer un véritable espace de déploiement et de renforcement de leurs capacités créatrices aux professionnels de la scène du continent :
• en accueillant en résidence durant deux à trois mois quatre à six projets de création provenant de pays différents,
• en apportant à l’auteur du texte, qui accompagne le projet, le soutien d’un expert extérieur et en lui donnant l’occasion de confronter son écriture à la scène et, ce faisant, de la peaufiner, voire de la modifier,
• en proposant aux comédiens et metteurs en scène des modules de formation complémentaires adaptés à leurs besoins,
• en mettant à disposition des créations des espaces de répétition et une infrastructure technique optimale,
• en suscitant auprès de l’ensemble des participants une réflexion partagée autour des problèmes de la création théâtrale contemporaine sur le continent et de sa diffusion,
• en organisant, en fin de parcours, une confrontation au public qui, sous forme d’un festival, constitue une première occasion de montrer les résultats du processus créatif à une large audience, mais aussi à quelques spécialistes (organisateurs de festival, promoteurs culturels du continent et d’ailleurs).“

Soweit die Struktur, soweit die Bekenntnisse. So weit, so gut. Aus dieser Struktur heraus entstehen viele grossartige Projekte. Die Récréâtrales sind die Plattform für Künstlerinnen und Künstler um sich zu präsentieren und für die Festivalveranstalter, die Möglichkeit sich einen Überblick zu verschaffen, und allenfalls eine Compagnie einzuladen. Finanziert werden die Récréâtrales mit den Kulturetats aus diversen europäischen Ländern, die Schweiz ist mit von der Partie.

Von den vielen eingereichten Projekten erhielten 7 ein „Allez!“. Und 2 grosse Namen in der Kulturszene von BF eine Carte blanche. Dabei: Irène Tassembedo, ihres Zeichens ein Urgestein in der Tanzszene von Westafrika. Eine beeindruckende Frau. Die Löwin unter den Elefanten, wie die grossen Theatermacher hier genannt werden.  Irène Tassembédo, Tänzerin, Choreografin, Förderin und Kämpferin für die Tanzszene. Sie unterhält eine Ausbildungsstätte für Tänzerinnen, fördert, unterstützt, bewegt. Sie bietet Kurse für Kids und tututu an, pflegt den internationalen Austausch. Und ihr Espace erreicht locker europäischen Standart. Schöne Sääle, funktionierende Infrastruktur, alles propre, alles tipptopp.

Irène Tassembédo verschrieb sich für das Projekt 2012, mit über 20 Schauspielern, Tänzerinnen, Musikern den Bacchantinnen von Euripides.

„Dionysos, Sohn des Zeus und der Semele, der Gott des Weines und des Rausches, ist – in Menschengestalt – in seine Geburtsstadt Theben zurückgekehrt, um sich an deren Bewohnern zu rächen, die seine Göttlichkeit nicht anerkennen. Er lässt alle Frauen der Stadt in einen Wahn verfallen und führt sie heraus auf den Berg Kithairon - darunter auch Agave, die Mutter des Herrschers Penthaus. Boten berichten, die Frauen lebten mit wilden Tieren und schlügen mit Thyrososstäben gegen die Felsen, so dass Wein herausquelle. Als man sie gestört habe, hätten sie mit übermenschlichen Kräften alles zerstört, was ihnen in den Weg gekommen sei.“ (Wiki)

Über drei Monate arbeitete sich die Companie in dieses antike Stück, über die Herrschaft, ein. Improvisierte, lernte Texte auswendig, tanzte, tanzte, tanzte. 

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