Das erste Anklimatisierungswochenende liegt
hinter mir. Es war eine Ankunft der feuchtfröhlichen Art. In jeder Hinsicht.
Das Wetter schwül und drückend heiss, wie es der diesjährige zürcherische
Sommer nie zustande brachte, dazu literweise Brakina, das Burkina Bier, das
niemals versiegt.
Später dann der Einzug in unser – Regisseur,
Gast und ich – Hauptquartier. Ein Haus, besser eine Art grosse
neuarchitektonische afrikanische Gebärmutter. Will heissen Rundummauern, zwei
Minigrünflächen, eine grosse Garage, eine gedeckte Terrasse, zwei Zimmer, zwei
Duschen inklusive WC, eine Küche, ein Salon de Séjour. Dazu überall
Ventilatoren, Klimaanlagen, gekachelte Böden, ein Samsung-TV mit ungezählten,
aber bezahlten Sendern. Ohne Licht (gleissendes Neon) ist das alles in heimelig
düsterem Ocker gehalten. Mit goldfarbenen Vorhängen und Brodrerie. Die Sitzecke macht einem Drogendealer der
XXL-Klasse alle Ehre. Dies kann einlullen, kann deprimieren, wie man sich so
fühlt in seinem Seelenkostüm.
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Stücklektüre Ouaga 2014 |
Keine Bange, wir fühlen uns gut, denn die
Produktion ist mehr als zufriedenstellend angelaufen. Roger Nydegger, führt
seit zwei Wochen Regie und die Truppe ist gut eingespielt. Gestern habe ich die
ersten Proben verfolgt. Das Stück, eine Adaptation von Markus Köbelis „Holzers
Peepshow“ nimmt Gestalt an. Der junge Autor Kiswindsida Thierry Hervé Oueda hat
diese bitterböse Komödie, um eine Familie, die verzweifelt versucht die Zeit
aufzuhalten und grandios scheitert, an westafrikanische Verhältnisse angepasst.
Das Stück spielt in einem Weiler ausserhalb von Ouagdougou. Die Landbevölkerung
von Bionlé schlägt sich mit seinen heiligen handzahmen Krokodilen, die jährlich
ein paar hundert Touristen anziehen, wacker durchs Leben. Bis, ja bis Gold
gefunden wird. Seither ist der Teufel los. Eine Schweizer Firma versuchte jede verdammte
Ader anzuzapfen und schürft unermüdlich, denn Goldminen in Burkina gelten als
ergiebig. Die Bevölkerung von Binonlé wird gnadenlos ausgebootet, einzig der Ouedraogo-Clan
weigerte sich standhaft, den Ort seiner Ahnen zu verlassen. Zumal Bionlé auch
der Name der heiligen Familienstatue ist.
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Awa Sangare notre chorégraphe avec Josiane Y. Hien, dans la rôle de Yennenga |
Auch eine Intervention auf höchster Ebene
vermag die Widerspenstigen nicht zu zähmen. Dabei ist dies alles gar nicht
nötig. Denn der Clan scheint nur vordergründig geeint. In den Tiefen der
Familienstruktur eitert es gewaltig. Die Jungen wollen endlich weg aus dem
Kaff, die Ehefrau emanzipiert sich süfferli von ihrem Säufermann, der Bruder
überbeisst vor lauter Eifersucht. Auch der vermeintliche Geldsegen, der sich nach
einer leidlich erfolgreich verlaufenen neuinitiierten Touristenattraktion – Die
Familie spielt eine Familie, welche die Legende der Yennenga zum Besten gibt – vermag den Zerfall des Clans
nicht zu stoppen.
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Soumaïla Zoungrana dans la rôle de Ibro et Yra Siaka dans la rôle de Sibri |
Bonne arriveé in Westafrika, dass sich immer
mehr der Restwelt angleicht. Zerrissen zwischen Tradition und Moderne, zwischen
Coca Cola und Dafani (Fruchtsäfte aus Burkina Faso), zwischen Animismus und
sektiererischen Kirchen, zwischen Wünschen und Realität, zwischen Post-, Neo-,
Überhaupt-Kolonialismus, Kapitalismus, Restkommunismus und all den neuen Räuber
in alten Kleidern. Zwischen fehlender Ebola-Aufklärung und Tetanus-Impfung. Zwischen
Fetisch und Sacrificé. Zwischen ? und zwischen ? Die Liste ist unvollständig
…
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Minata Diene dans la rôle de mère Salamata et Tata.T. Bamouni, dans la rôle de Biinta, femme de Sibri |
Davon handelt „L’or de Yennenga", der Amazone,
die einst das Volk der Mossi einte.
Ich bin angekommen.
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Noël Minougou dans la rôle de Wu Lee, le Chinois et Soumäila |
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