Das
neue Jahr hat begonnen. Mit was für einer Musik. Der Kontostand ist im
Sinkflug, aber trotzdem (noch) ausgeglichen, die erste grosse Melancholie liegt
bereits hinter mir und seit einigen Stunden bin ich in Ouagadougou.
Die
Reise begann um 7 Uhr in der Früh Zürcher Ortszeit im Schneegestöber und endete
mit einer sanften Landung pünktlich um 16.50 Ortszeit Ouaga.
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Zürich Abgang 7.30 Uhr, Jänner 19. |
Dazwischen
lagen einige interessante Gespräche, von der Art wie man sie früher, als im Zug
noch miteinander gesprochen und nicht autistisiert wurde, erleben konnte.
Von
Zürich nach Brüssel nahm ein flotter Geschäftsmann neben mir Platz, der, so
schien es mir jedenfalls einer der Weitgereisten ist. Nicht ein Hauch von
Reisenervosität, sondern diese Art Reisemenschen, die sich im Flugzeug so verhalten,
als wären sei bei sich in der Gartenlaube, angenehme 25 Grad im Schatten und
ein Glas Sancerre. Très distingé!
Genau
das Richtige für mich, die ich doch noch immer mit einer gewissen Unruhe im
Herzen auf jede Flugreise gehe. Ich bin ja noch immer eine Kurzgereiste. Der
Flattersatz und das kurzzeitige Herzrasen sind passé, aber eine mir nicht
unangenehme Fiebrigkeit ergreift mich noch immer. Und wenn ich dann alleine
reise, ist so ein männlicher Tranquilizer herzlich willkommen. Da werden
irgendwelche DerMannbeschütztmich-Chips aktiviert. Und in der Tat, der Mann ist
irgendein ranghohes Tier bei IBM in unserem zürcherischen Altstetten.
Verantwortlich für was weiss ich denn von IBM und lebt in Belgien, genauer
Antwerpen. In der Regel fliegt er am Montagmorgen in Kloten und am Freitag
wieder in Brüssel ein. Und das seit sechs Jahren. Davor war er weltweit tätig,
jetzt ist er, so seine Worte, quasi sesshaft, obschon er immer wieder auch ins
Ausland fliegt. Et voilà. In Zürich bewohnt er kein Appartement oder so was in
dem Stile, sondern er logiert im Hotel; weil billiger als eine Wohnung mieten!
Et voilà. Und ausserdem ist alles aufgeräumt und immer picobello. Er ist
verheiratet, die Frau arbeitet auch und er hat drei erwachsene Kinder, die alle
studieren. Und nur eine Tochter raucht ab und zu. Eine Sozialraucherin, wie er
präzisierte. In Zürich findet er den öffentlichen Verkehr absolut den Hammer
und erst kürzlich hat er das Viadukt entdeckt und ist ganz begeistert. Kurz
streiften wir noch Lance, das grosse Lügenpedal und waren uns einig, dass
der Mann eine Plage für die Welt ist. Nicht nur für die Pedalöre. Der nette
Geschäftsmann hievte dann auch noch meinen schweren Rucksack hin und her. Im
Gegenzug weiss Monsieur le Belge nun, warum ich hier bin – vielleicht weiss er
gar mehr wie ich – was ich vorhabe, so in etwa, und was ich so treibe in der
Schweiz. Aids-Hilfe und so.
Und
dann war der Flug auch schon zu Ende und der Brüsseler Flughafen nahm mich in
Empfang. Kein Vergleich zu diesem Monster CHdG in Paris. Alles übersichtlich,
alles sur place.
Und
nach einer längeren Enteisungsaktion – ja es war auch in Brüssel kalt, wenn
auch nicht so kalt – starteten wie Richtung Ouaga. Diesmal hatte ich eine Frau,
encore une Belge, neben mir. Etwas bieder, wie mir auf den ersten Blick
erschien, kleider- und brillenmässig gesprochen, aber ebenfalls sehr nett. Auch
sie verstaute meinen schweren Rucksack, auch sie schien mir weitgereist.
Trotzdem stellte sich der DieFraubeschütztmich-Modus nicht ein. Gender bleibt Gender
... Na ja, das vertiefen wir jetzt nicht.
Die
Frau, mit Vornahmen Nadja, sie nannte ihn mir nach dem ersten Gin-Tonic, flog
noch Lomé mit Zwischenlandung Ouaga. Sie arbeite gemeinsam mit Bauern in einem
Dorf Nahe der Grenze zu Burkina. Eines der vielen humanitären Projekte in
Westafrika. Dazwischen fliegt sie immer wieder mal zu ihren Eltern in Brüssel.
Und sie hat einen alten Range Rover gekauft und nach langem Zögern hat sie sich
nun auch ans Autofahren gewagt. Das findet sie jetzt absolute Klasse, und als
sie mir das erzählte, strahlte sie wie eine reife Mango. Sehr schön. Ihr
Freund, ein Einheimischer möchte auch gerne mit dem RR fahren, hat aber noch
kein Permis. Das ist ihr dann doch zu riskant, man weiss ja nie ... Während dem
Mittagessen, sie trank jetzt Weisswein und nachdem ich sie gefragt hatte, ob
sie auch gerne scharf esse, erzählte sie mir, dass sie alles, wirklich alles
esse, was die Locals auch essen. Ausser scharf da sei sie heikel. Aber sonst
alles. Das heisst auch Hunde. Sie kaufe auch Hunde, töte sie und esse sie. Und
sie schmecken eher wie Schweine, denn wie Rinder. Und überhaupt gefällt es ihr
sehr gut in Togo und ein bisschen spricht sie auch eine der Landessprachen. Et
voilà.
Zwischendurch
schenkte ich mir eine halbe Stunde Air-TV. Avatar stand auf dem Programm und da
ich diesen Film noch nicht gesehen hatte, nahm ich die Occasion wahr. Nach
einer halben Stunde gab ich, in einer unendlichen Langeweile von Blaupause,
auf. Was für ein Scheissfilm. Die Story wird auch mit 3D nicht besser.
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Sahara, janvier 2013 |
Und
dann war da ja noch die Wüste. Ich hatte das erste Mal in meinen Flugleben einen
Fensterplatz, denn ich auch nutzte. Bis jetzt hatte ich immer zu viel Respekt
(man kann dem auch Angst sagen) vor den Blicken in die Tiefe. Oder war es eher
die Weite? Und verzichtete in der Folge immer auf meinen Ausguck. Aber diesmal
nicht.
Und
was ich sah, war 10000000000 Mal besser als alle Avatars zusammen. Europa lag
unter einer dicken Wolkenschicht. Nordafrika teilweise auch und ab Südmarokko
lichtete sich die Atmosphäre.
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Niger
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Die
Sahara. La grande. Wellenförmige Sandmuster von Wind und Wetter, durchzogen von
haarfeinen Rissen, Verwerfungen und Erhebungen. Ockergelb, sandbeige,
silberbeige, braunbeige, graubraun. Menschenleer ohne Stillstand.
Dann
wieder wie fallengelassene Tücher. Leinene, seidene, wollene. Eines und noch
eines und noch eines. Ineinander und aufeinander und miteinander. Muster und
Formen, abstrakte, nie zuvor gesehene, Farbspiele eines Kindes. Jede Wolke als
Schattenspiegel zurückgeworfen.
Fliegen,
fliegen, überfliegen.
Winzige
Dörfer, Kreise, Quadrate, Vierecke.
Dann
der mäandernde Niger. Blaugraues Band durchzieht silberbeige. Keine Spur von
grün.
Dann
Bäume, mehr Dörfer, mehr von allem, aber noch immer spärlich. In der Wüste wird
gespart. Claro que si.
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Sahara |
Und
irgendwann die Frage noch den Jihadisten. Wo sind die da unten? Denn jetzt
überfliegen wir die Region um Tombouctou, so zeigt es zumindest die Flugkarte
an. Und was ist eigentlich, wenn jetzt so ein Franzosenflieger daher geflogen
käme? Ja was wäre denn? Wären wir in unserer Luftmaschine auf 11000 MüM höher
oder tiefer? Hé da unten herrscht Krieg und wir fliegen darüber hinweg.
Ich
merke ich habe viele Fragen, keine Antworten und Nadja schläft.
Ich
schaue in die Tiefe, in die Weite, staune.
Pünktlich
landen wir in Ouaga. Es ist heiss, ich bin da, ich bin angekommen.