Montagmorgen à Gounghin, so heisst das Quartier mit meiner
Herberge. Ein erster Rundgang auf dem lokalen Markt, auf Tuchfühlung avec ma
„vie africaine“, zwischen Anführungszeichen. Zu Fuss, denn noch habe ich mich
nicht für ein Fortbewegungsmittel entschieden. En general bin ich mit dem Velo
unterwegs. An zweiter Stelle stehen diese chinesischen 125er Pseudovespas, an
dritter das voiture, aber das muss organisiert, mit Chauffeur versteht sich, und teuer bezahlt werden. Oder ich miete mir
eine Töffli ... on vera.
Bereits nach 50 Metern wird mir bewusst, dass ich noch immer
mit meiner zürcherische Fussgänger Attitude unterwegs bin. Will sagen, zu
schnell, zu wenig wiegend, zu wenig offen. Alors Rückschritt für Fortschritt. Ich passiere rechterhand die grosse Moschee,
vor deren Toren immer eine beachtliche Anzahl Männer bettelt. Linkerhand steht
der Töggelikasten, noch verweist, aber er wird seine Spieler bald finden. Dann
vorbei an Bretterbuden, Bretterverschlägen, kleinen Restos, Frauen, die bereits
ihre fliegenden Küchen installiert haben, Natelverkäufern, Kalabassen, Zierrat
und viel Unrat, Gockeln, Hennen, Küken. Dann die Früchte-, Tomaten-,
Gemüseauslagen, dann Erdnüsse, gesalzen, süss, mit und ohne Röstung. Kochbananen,
Essbananen, Minizitronen, Maniok, Fisch, Frischfleisch mit Fliegen und so
weiter und so fort. Doch ich peile den Marina Market an, eine lokale
Einkaufskette. Denn ich brauche subito Milchprodukte mit garantierter
Kühlkette. Néscafé mit Milchpulver ist einfach nicht wirklich mein Ding.
Der Kaffe aus dem Nestchen, die Milch aus dem Nestchen, das Leben aus denm Nestchen, ... |
Und da ich von meiner letzten Ouagareise doch Millionen von
Einzellern – illegal ich weiss – so genannte Lamblien eingeführt habe, bin ich
jetzt grad aktuell auf der vorsichtigen
Seite um mein Verdauungssystem nicht schon in den ersten 48 Stunden zu
stressen. Es kommt dann so wieso so wie es kommt, oder.
Punkt 10 steht dann Warren auf der Matte. Heute wird
gearbeitet, heute werden wir gemeinsam die Schulklasse besuchen, über und mit
der ich eine Fotoreportage erstellen möchte. Warren, Fotografie-Urgestein aus
Ouaga wird das ganze auf einen Chip bannen. Warren hat bereits vorrecherchiert.
On verra.
Die Reportage soll Teil des Festivals „Pas de problème“, dass
wir rund um „L’Héritage“, unser Familien-Theaterstück, gespielt in der
Trinkhalle der Wirtschaft Ziegelhütte in Zürich-Schwamendingen, sein. Das Ziel
der Reportage ist, eine Diashow für Oberstufenschüler aus Schwamendingen zu
erstellen. Eine Art afrikanischer Schulspiegel. „Bestellt“ habe ich eine
Schulklasse in einem Aussenquartier, einem Ort der wenig Begüterten und das
heisst viel und bedeutet sehr wenig in Ouaga. Und öffentlich soll sie sein,
keine Privatschule.
Wir cruisen eine halbe Stunde durch Ouaga. Ich stelle fest,
dass viel mehr Verkehrspolizei positioniert ist, als das letzte Mal. An
praktisch jeder Kreuzung mindestens zwei Uniformierte. Es scheint, dass die
Stadtregierung die Verkehrsregeln, die ohne Zweifel existieren, aber bis jetzt
ein eher marginales, bis zur grossen Nichtbeachtung, Dasein führen, durchsetzen
wollen ... On verra.
Abends werden mir Augusta, Schauspielerin voller Gnaden und
Achille, Schauspieler voller Feuer, erzählen, dass sie beide von der
Verkehrspolizei angehalten wurden. Augusta musste ein Busse, bezahlen, weil sie
ihre Karre nicht vorgeführt hatte, Achille überfuhr ein Rotlicht. Beide müssen
umgerechnet 6000 CFA-Franc zahlen. 100 SFR sind 53'000 CFA. Voilà. Der Staat braucht Geld.
Pausenplatz |
Der erste Eindruck ist ein Abdruck. Der Innenhof der Schule
ist grossflächig, vier Fussballfelder, geschätzt, drei Bäume geschätzt und rund
herum stehen die Schulzimmer. Die Sonne brennt und trotzdem geht ein kalter
Wind. Ein jährliches Wetterparadox, das viele krank macht. Einerseits
Temperaturen bis über 35 Grad und andererseits eine Art Bise, die in die
Knochen fährt, dazu Wüstenstaub, auch wüsten Staub. Das ist Monsieur Harmattan
in Januar.
Halimata, 14-jährig, muss noch ein Jahr in dieser Schule bleiben, da ihre Eltern das Geld für den Übertritt in die Oberstufe nicht bezahlen können. |
Ich lerne Halimata, 14 Jahre jung kennen. Sie wird das
Mädchen sein, das Warren, der Fotograf für das Schulportrait ausgewählt hat.
Wir begrüssen uns kurz, sie spricht leise, senkt den Blick, ist sehr scheu. So
ein weisse Tante aus der Schweiz ...,
die Fragen stellt ... Sie hat keine Ahnung wo das ist, Schweiz, Europa? Und
natürlich habe ich mal wieder keine Karte dabei. Asche auf mein Haupt, tammi
nomal, immer wieder vergesse ich das Einfachste.
Ich habe einzig 30 Bleistifte dabei, aber die Klasse hat
über 46 Kinder ... Da stehe ich und fühle mich schäbig.
Abwesenheitsassistenz |
Am Freitag, werden Warren und ich Halimata zu Hause abholen
und in die Schule begleiten. Im Gepäck einen Ball mit Miniglobus-Sujet. So kann ich ihr wenigstens
zeigen, wo die Schweiz auf dem Globus zu finden ist und was für eine Miniature,
dies Land ist.
Kurz spreche ich auch noch mit drei Lehrkräften, zwei
Lehrerinnen und dem Lehrer von Halimata. Alle unterrichten über 40 Kinder pro
Klasse und unterrichten toutoutout. Mathe, Schreiben, Franz, Singen, Turnen,
Geo und was man alles so lernt, für das Leben, eben ... Die Kinder pro Klasse
sind zwischen 9 und 15 Jahre jung.
Das erste Beschnuppern ist vorbei, als am Himmel über der
Schule ein dicker, fetter Flieger über den Schulhof hinwegdonnert. Ohne
Signale, ganz in militärischem Grau. Die Richtung ist bestimmt, vers Mali. Der
Krieg ist nah, der Krieg ist da.
Abends tschutten die Hengste aus Burkina gegen Nigeria und gewinnen 1:1. So jedenfalls wird das hier interpretiert. Battu Nigeria, bravo! Ach ja, es spielt die afrikanische Meisterschaft.
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