Sonntag, 20. Januar 2013

Hund ist mehr Schwein wie Rind - L'afrique hat mich wieder


Das neue Jahr hat begonnen. Mit was für einer Musik. Der Kontostand ist im Sinkflug, aber trotzdem (noch) ausgeglichen, die erste grosse Melancholie liegt bereits hinter mir und seit einigen Stunden bin ich in Ouagadougou.

Die Reise begann um 7 Uhr in der Früh Zürcher Ortszeit im Schneegestöber und endete mit einer sanften Landung pünktlich um 16.50 Ortszeit Ouaga.

Zürich Abgang 7.30 Uhr, Jänner 19.

Dazwischen lagen einige interessante Gespräche, von der Art wie man sie früher, als im Zug noch miteinander gesprochen und nicht autistisiert wurde, erleben konnte. 

Von Zürich nach Brüssel nahm ein flotter Geschäftsmann neben mir Platz, der, so schien es mir jedenfalls einer der Weitgereisten ist. Nicht ein Hauch von Reisenervosität, sondern diese Art Reisemenschen, die sich im Flugzeug so verhalten, als wären sei bei sich in der Gartenlaube, angenehme 25 Grad im Schatten und ein Glas Sancerre. Très distingé!
Genau das Richtige für mich, die ich doch noch immer mit einer gewissen Unruhe im Herzen auf jede Flugreise gehe. Ich bin ja noch immer eine Kurzgereiste. Der Flattersatz und das kurzzeitige Herzrasen sind passé, aber eine mir nicht unangenehme Fiebrigkeit ergreift mich noch immer. Und wenn ich dann alleine reise, ist so ein männlicher Tranquilizer herzlich willkommen. Da werden irgendwelche DerMannbeschütztmich-Chips aktiviert. Und in der Tat, der Mann ist irgendein ranghohes Tier bei IBM in unserem zürcherischen Altstetten. Verantwortlich für was weiss ich denn von IBM und lebt in Belgien, genauer Antwerpen. In der Regel fliegt er am Montagmorgen in Kloten und am Freitag wieder in Brüssel ein. Und das seit sechs Jahren. Davor war er weltweit tätig, jetzt ist er, so seine Worte, quasi sesshaft, obschon er immer wieder auch ins Ausland fliegt. Et voilà. In Zürich bewohnt er kein Appartement oder so was in dem Stile, sondern er logiert im Hotel; weil billiger als eine Wohnung mieten! Et voilà. Und ausserdem ist alles aufgeräumt und immer picobello. Er ist verheiratet, die Frau arbeitet auch und er hat drei erwachsene Kinder, die alle studieren. Und nur eine Tochter raucht ab und zu. Eine Sozialraucherin, wie er präzisierte. In Zürich findet er den öffentlichen Verkehr absolut den Hammer und erst kürzlich hat er das Viadukt entdeckt und ist ganz begeistert. Kurz streiften wir noch Lance, das grosse Lügenpedal und waren uns einig, dass der Mann eine Plage für die Welt ist. Nicht nur für die Pedalöre. Der nette Geschäftsmann hievte dann auch noch meinen schweren Rucksack hin und her. Im Gegenzug weiss Monsieur le Belge nun, warum ich hier bin – vielleicht weiss er gar mehr wie ich – was ich vorhabe, so in etwa, und was ich so treibe in der Schweiz. Aids-Hilfe und so.
Und dann war der Flug auch schon zu Ende und der Brüsseler Flughafen nahm mich in Empfang. Kein Vergleich zu diesem Monster CHdG in Paris. Alles übersichtlich, alles sur place.

Und nach einer längeren Enteisungsaktion – ja es war auch in Brüssel kalt, wenn auch nicht so kalt – starteten wie Richtung Ouaga. Diesmal hatte ich eine Frau, encore une Belge, neben mir. Etwas bieder, wie mir auf den ersten Blick erschien, kleider- und brillenmässig gesprochen, aber ebenfalls sehr nett. Auch sie verstaute meinen schweren Rucksack, auch sie schien mir weitgereist. Trotzdem stellte sich der DieFraubeschütztmich-Modus nicht ein. Gender bleibt Gender ... Na ja, das vertiefen wir jetzt nicht.
Die Frau, mit Vornahmen Nadja, sie nannte ihn mir nach dem ersten Gin-Tonic, flog noch Lomé mit Zwischenlandung Ouaga. Sie arbeite gemeinsam mit Bauern in einem Dorf Nahe der Grenze zu Burkina. Eines der vielen humanitären Projekte in Westafrika. Dazwischen fliegt sie immer wieder mal zu ihren Eltern in Brüssel. Und sie hat einen alten Range Rover gekauft und nach langem Zögern hat sie sich nun auch ans Autofahren gewagt. Das findet sie jetzt absolute Klasse, und als sie mir das erzählte, strahlte sie wie eine reife Mango. Sehr schön. Ihr Freund, ein Einheimischer möchte auch gerne mit dem RR fahren, hat aber noch kein Permis. Das ist ihr dann doch zu riskant, man weiss ja nie ... Während dem Mittagessen, sie trank jetzt Weisswein und nachdem ich sie gefragt hatte, ob sie auch gerne scharf esse, erzählte sie mir, dass sie alles, wirklich alles esse, was die Locals auch essen. Ausser scharf da sei sie heikel. Aber sonst alles. Das heisst auch Hunde. Sie kaufe auch Hunde, töte sie und esse sie. Und sie schmecken eher wie Schweine, denn wie Rinder. Und überhaupt gefällt es ihr sehr gut in Togo und ein bisschen spricht sie auch eine der Landessprachen. Et voilà.

Zwischendurch schenkte ich mir eine halbe Stunde Air-TV. Avatar stand auf dem Programm und da ich diesen Film noch nicht gesehen hatte, nahm ich die Occasion wahr. Nach einer halben Stunde gab ich, in einer unendlichen Langeweile von Blaupause, auf. Was für ein Scheissfilm. Die Story wird auch mit 3D nicht besser.

Sahara, janvier 2013

Und dann war da ja noch die Wüste. Ich hatte das erste Mal in meinen Flugleben einen Fensterplatz, denn ich auch nutzte. Bis jetzt hatte ich immer zu viel Respekt (man kann dem auch Angst sagen) vor den Blicken in die Tiefe. Oder war es eher die Weite? Und verzichtete in der Folge immer auf meinen Ausguck. Aber diesmal nicht.
Und was ich sah, war 10000000000 Mal besser als alle Avatars zusammen. Europa lag unter einer dicken Wolkenschicht. Nordafrika teilweise auch und ab Südmarokko lichtete sich die Atmosphäre.

Niger
Die Sahara. La grande. Wellenförmige Sandmuster von Wind und Wetter, durchzogen von haarfeinen Rissen, Verwerfungen und Erhebungen. Ockergelb, sandbeige, silberbeige, braunbeige, graubraun. Menschenleer ohne Stillstand.
Dann wieder wie fallengelassene Tücher. Leinene, seidene, wollene. Eines und noch eines und noch eines. Ineinander und aufeinander und miteinander. Muster und Formen, abstrakte, nie zuvor gesehene, Farbspiele eines Kindes. Jede Wolke als Schattenspiegel zurückgeworfen.
Fliegen, fliegen, überfliegen.
Winzige Dörfer, Kreise, Quadrate, Vierecke.
Dann der mäandernde Niger. Blaugraues Band durchzieht silberbeige. Keine Spur von grün.   
Dann Bäume, mehr Dörfer, mehr von allem, aber noch immer spärlich. In der Wüste wird gespart. Claro que si.

Sahara

Und irgendwann die Frage noch den Jihadisten. Wo sind die da unten? Denn jetzt überfliegen wir die Region um Tombouctou, so zeigt es zumindest die Flugkarte an. Und was ist eigentlich, wenn jetzt so ein Franzosenflieger daher geflogen käme? Ja was wäre denn? Wären wir in unserer Luftmaschine auf 11000 MüM höher oder tiefer? Hé da unten herrscht Krieg und wir fliegen darüber hinweg.

Ich merke ich habe viele Fragen, keine Antworten und Nadja schläft.

Ich schaue in die Tiefe, in die Weite, staune.

Pünktlich landen wir in Ouaga. Es ist heiss, ich bin da, ich bin angekommen.





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