Was für ein Samstag, was für ein Sonntag, was für ein Freitag, was für ein Donnerstag!
Alles schön der Reihe nach.
Wir haben jetzt die dritte filage (für Theaterunkundige: Durchlauf = das ganze Theaterstück wird integral durchgespielt, also ohne Unterbruch und vor ausgewähltem Publikum) hinter uns. Und damit die Talsohle erreicht und ein ALLEZ erreicht. Das heisst ausgedeutscht: Schlechter kann das Stück nicht mehr gespielt werden und gleichzeitig haben wir von der CITO-Administration sozusagen das GzS, das Gut zum Spiel erhalten. Die ganze Minipolemik über - das Stück enthält pornografisches und öbszones Material - ist vom Tisch. Das hat gefreut und bestärkt. Das Spiel war nicht so gefreut. Leider. Es kam aber auch nicht ganz unerwartet. Nach über einem Monat intensiver Arbeit, war - wenn wundert's - mich nicht - ein Spannungsabfall der gröberen Art zu konstatieren. Beh ... Wie jedes Theaterstück eine
Dramaturgie hat, so hat auch jedes Projekt eine Dramaturgie. Im Gegensatz zum Theater, dass im guten Fall eine bewusst inszeniert Dramaturgie hat, kann man die Dramaturgie während eines Prozesses schwerlich bestimmen. In der Regel und mit einem Schatz an Erfahrung, weiss man einfach, dass irgendwann ein Tiefpunkt, irgendwann ein Höhepunkt erreicht sein wird. C'est comme ça. Die Muse der Kreativität kann halt ganz schön kaprizieren, wenn sie Unlust verspürt. Und unsere Frauen mit ihr. Sie spielten mit Unterspannung, als ob dieses Stück, irgendwo für irgend wenn irgendwann einmal par examples ... , aber sicher nicht mit ihnen, gespielte werden wird. Sie bewegten sich nicht, standen neben ihren Texten, verpassten längst choregrafierte Einsätze, liessen sich und noch viel mehr die Männer - die im Gegensatz zu den Frauen gut spielten, so gut sie in diesem Schlepprhythmus überhaupt spielen konnten - verhungern, das heisst im Stich. Wir litten, sie litten nicht. In jeder Spielpause wurde getratscht, SMS verschickt, ein bisschen
maquillage aufgetragen, gegessen und getrunken, vieles was Frauen eben auch so tun, halt. Einfach verdammt noch einmal nicht bei der Arbeit! Und auch die beiden Musiker rissen sich keine Note zuviel aus dem Ärmel. Ihr TamTam schleppte sich dahin, wie der versiegende
Volta (Fluss in BF). All dieses geschah am Donnerstag.
|
L'homme tendon - die Männer gaben sich Mühe, die Frauen hängten ab |
So kam es zur grossen Freitags-Frauen-Schelte. Und auch die Musiker kriegten ihr beurre de karité weg. Wir hatten vorher gemeinsam mit Rachel, unserer unentbehrlichen Regie-Assistentin eine Videoanalyse gemacht und Szene für Szene durchgesprochen. Und es war kristallklar: Klartext muss her! Le metteur en scène enervierte sich in der Folge, sprach sich in Rage. Das Stück heisst ja nicht umsonst: Sev-RAGE!
Und dann sassen alle da, liessen die Köpfe hängen. Und für eine gefühlte Ewigkeit herrschte Stille - ausser der gegenwärtigen Stadtmelodie de Ouaga.
Später stellte sich heraus, dass sich die meisten Schauspielerinnen während le filage auch nicht wohl gefühlt hätten ... Die Musiker verteidigten sich und suchten nach Ausreden ... D'accord und retour au travaille. Vite, vite. Die Uhr tickt.
Und siehe da - plötzlich war sie wieder da, die Energie, die Spielfreude - das Theater.
|
Kropfleerete |
Samstagabend das längst versprochene Fest mit allen Beteiligten. Augusta, unsere Lysistrata, nebst dem Schauspielberuf eine äusserst umtriebige und gutvernetzte Geschäftsfrau, hatte alles organisiert. Es wurde getratscht, gelacht, gegessen und später zog es einen Teil der Gesellschaft noch in den samstäglichen Ausgang.
|
chez Augusta |
|
le buffet |
Allez! Nous dancerons dans une boite. Diskofieber, afrikanisch. Angekommen dachte la dramaturge, beh ça, ça va pas de tout! Da hole ich mir ja einen Tinitus afrikanisus. Der Sound infernalisch laut, dröhnende Boxen undefinierbare Musik, schnelle Rhythmen, ein fortwährendes Brummen auf den Boxen, ein DJ, der dauernd irgendwas promotete und rein brüllte, sowie gefühlte 45 Grad. Doch die Nacht war zu jung und der Drang nach Abtanzen zu gross um sich jetzt auf die chinesische polyesterbezogene,wäckigäcki Schaumstoffmatratze zu legen und schlecht zu träumen weil die Heimreise naht. Go!
Loslassen, die
Welt anhalten, Dasein. Und wie. Der Schweiss floss in Bächen, wir schwangen les fesses - und die nicht mal schlecht - mitreissen lassen, sich dem Zauber ergeben, dem Rhythmus allen Ballast übergeben, das Denken sein lassen - es war einfach geil!
Denn anders als im gutstrukturierten urbanzürcherischen coolen Szene-Kontext, wo man genau weiss, wo man hingehört oder eben auch nicht, ist hier die Durchmischung des Publikums um einiges besser. Und alle tanzen mit allen. Dick mit Dünn, Frau mit Frau, Alt mit Jung, Gross mit Klein, Schwarz mit Weiss. Der Flirtfaktor ist hoch, aber nie schleimig. Und Paare geben sich immer wieder zu erkennen, tanzen gemeinsam. Da kann es auch vorkommen, dass sich zwei Männchen um ein Weibchen prügeln. Es gibt keinen Einheitsstil, alles ist erlaubt. Und NEIN, es können nicht alle Afrikanerinnen und Afrikaner gut tanzen, das ist ein Scheissklischée, aber diejenigen die gerne tanzen, tanzen oft sehr gut (auch die Männer, und wie!) und diejenigen, die weniger gut tanzen - tant pis, pas de problème. Und so kam es, dass so gegen drei in der Früh - unter der Regie der Venus, die hoch oben strahlte - die ganze boite brodelte. Und deux danseures (Schauspieler, claro que si) eine Tanzbattle auf den Plättliboden klatschten, die dem Liedtext folgte - irgendwas kriegerisches - in einem Affentempo, variantenreich, witzig, parodistisch, sportlich, mimisch grandios, unbeschreiblich, unvergesslich. Sich Auskotzen kann so schön sein.
Den Sonntag hielten wir in Ehren, trankil.