Ouaga hat uns wieder. Wagalove 2017.
Nach einem beinahe unwirklich schönen Flug, Nebelmeeren über Europa, einer
Sahara, die auch aus 11'000 Metern Höhe grossartig und beeindruckend ist, sind wir turbulent, der
Wind, der Wind das unartige Kind, in Ouagdougou, der Hauptstadt von Burkina
Faso gelandet. Satte 35 Grad hüllten uns ein, trieben eine Röte ins Gesicht und
den Schweiss aus den Poren. Der Geruch aus Staub, Kohle, Kerosin erinnerte die
Körperuhr daran, dass wir hier schon einige Male gelandet sind. Alles ganz
entspannt. Fast. Liegen doch Terrorwarnungen für den doch, im internationalen
Vergleich, kleinen, nicht gross geschützten, dafür mitten, und ich meine
wirkliche mitten in der Stadt gelegen Flughafen vor. Ausgegeben von den
Amerikanern, für ihre Landsleute, nach Protesten der heimischen Politiker,
wieder aufgehoben ... Afrika eben...
Doch so zwei, drei Gedanken
verschwendet man dann schon an die Sicherheit, die der Schauspieler, der
eigenen und dann aller anderen Menschen, die da wimmeln. Und konstatiert encore
une fois, wie einfach das wäre. Wer bereit ist sich weg zu bomben, kann das
überall machen. Weltweit.
Und doch, wir sind gebrannte Kinder.
Wir waren mit unserer letzten Produktion „A tout jamais / Auf ewig“ in der
Stadt, als Dschihadisten mitten in Ouaga, einige von uns waren in der Nähe, die
anderen spielten im C.I.T.O., über dreissig Menschen töteten und unzählige
schwer verletzten. In der Folge konnten wir die vorhergesehene Tournee nicht
antreten. Und heuer, fand an der praktisch gleichen Stelle wieder ein Attentat
statt. Von Reisen in den Norden wird strikt abgeraten. Die fanatisierten
Schwerverbrecher sind weiter im Vormarsch und aktiv.
Die erste Akklimatisierungsphase ist
abgeschlossen. Mit allem was dazu gehört. Die ersten Erkältungen, der erste
Durchfall, das erste Magenbrummen und Stimmbänder wie Schmirgelpapier. Was
Wunder, die Temperaturen sind gegen 39 Grad, leichter Wind und nächtens keine
wirkliche Abkühlung. Dazu eine Anopheles, die sehr aktiv ist. Wir sind alle
Antibrumm brumm brumm.
Und wir haben das erste Brakina
(Bier aus BF) unter den zwei alten, grossen Baobabs vis-à-vis der
Theaterstätte, die, die unsre sein wird, getrunken. Den Nachthimmel von Ouaga
genossen. Diese Stadt, die nicht touristisch erschlossen, kein Hipsterrefugium,
dafür so grossartig und einmalig authentisch ist. Deren Herzschlag nach Diesel
und Kohle riecht und deren Seele Sehnsüchte weckt und stillt. Ouagadougou, das
Leben ist grösser als jeder Quadratmeter dieser Stadt. Und Ouaga ist verdammt
gross.
Die Wiederaufnahme von Le Prix de l'Or ist,
von den üblichen und ganz normalen Nebengeräuschen, bis heute, Tag der Première
in Ouagadougou, gut angelaufen. Wie haben ja auch vorgesorgt. Das Stück, in
Zürich noch mit viel deutscher Sprache und Dialekt angereichert, wir nun hier,
ganz in französischer Sprache und viel Mooré, der meistgesprochen afrikanischen
Sprache im Lande der Mossi, aufgeführt. Was für unsere Burkinabè
Schauspielerinnen und Schauspieler kein Problem, für unserer Schweizer Akteure
jedoch eine Herausforderung darstellt. Yel ka ye, oder wie die Burkinabès sagen:
pas de problem. Wir sind professionell. Wir sorgen uns ja auch täglich um
unsere Gesundheit, nehmen die Malariaprophylaxe ernst und trinken Gin Tonic.
Mit Youki Tonic, versteht sich.
Le Prix de l'Or 2017, Ouagadougou |
Und doch wir haben ein Problem. Ein
grosses, ein beschissenes, eines das wir lösen müssensollten. Doch das
Tafelgeschirr ist längst kaputt. Sollen wir versuchen zu retten was zu retten
ist und gute Miene zum bösen Spiel machen? Schauspielern ohne auf der Bühne zu
stehen.? Oder schleimen, oder die Faust im Rucksack machen? Ach die schönen
Euphemismen, wenn man in Tat und Wahrheit Chräble, Bise Spöize möchte. Wenn man
sich nicht unterkriegen lassen will. Wenn man, weil man nicht in Ouagadougou zu
Hause ist, vorsichtiger und umsichtiger agiert. Weil man als Produzenten immer
das grosse Ganze (inklusive die monetäre Situation) im Focus haben muss.
Also, das Problem:
Wie geht man mit einem Autor um,
dessen Ego (nach aussen) einmal um die ganze Welt und noch viel mehr gross ist?
Der einen Anwalt per SMS sprechen lässt, der uns öffentlich angeschwärtzt hat
(die Nummer geht immer, die bösen Europäer beuten die armen Afrikaner aus), der
droht und Forderungen stellt, die selbst im Reich des Absurden absurd sind? Der
sich benimmt, als hätte er ein Stück Welttheater geschrieben – hat er aber
nicht – er hat halbherzig seinen Auftrag, der er von uns erhalten hat erfüllt,
und dessen Stück wir grosszügig, das stimmt, adaptiert haben. Der 85% aller
Einnahmen einfordert. Der droht, die heutige Aufführung verbieten zu lassen? Der
sein Stück, was nicht dasjenige ist, dass wir aufführen werden, bei der
Autorenurheberschaft deponiert hat, wir als Auftragsteller, dieses Stück nie physisch
oder elektronisch erhalten haben? Und wir haben ihn entlöhnt, besser als jede
andere Arbeit für diese Kreation. Aber was heisst schon sein Stück? Haben wir,
als die Geldgeber und –sucher, die wir ja sind, doch die Themen gesetzt und die
Figuren entwickelt. Weil von Anfang kommuniziert wurde, dass es eine gemeinsame
– der Autor aus Burkina Faso und die Autorin aus der Schweiz – Arbeit sein
wird.
Wie kommt man aus so einer
kafkaesken Geschichte raus? Klar, man könnte ebenfalls drohen, mit einem Anwalt
auffahren, aber wozu? Schnäbiherzeigen ...
Wir wissen es noch nicht genau.
Wir haben einen Schlachtplan, Ideen
und die Hoffnung auf ein Happy End. Nicht mit diesem Männchen, aber für uns und
unsere Schauspieler, Techniker und Freunde vor Ort.
Es lebe der kulturelle Austausch. Es
lebe die Erfahrung. Es lebe das Theater. Dass, wir wissen es, leider nicht immer
die besten Stücke schreibt, die schreibt das Leben.
A suivre!
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