Donnerstag, 19. Oktober 2017

Ouaga hat uns wieder und wir haben ein Problem! Wagalove.

Ouaga hat uns wieder. Wagalove 2017. Nach einem beinahe unwirklich schönen Flug, Nebelmeeren über Europa, einer Sahara, die auch aus 11'000 Metern Höhe grossartig und  beeindruckend ist, sind wir turbulent, der Wind, der Wind das unartige Kind, in Ouagdougou, der Hauptstadt von Burkina Faso gelandet. Satte 35 Grad hüllten uns ein, trieben eine Röte ins Gesicht und den Schweiss aus den Poren. Der Geruch aus Staub, Kohle, Kerosin erinnerte die Körperuhr daran, dass wir hier schon einige Male gelandet sind. Alles ganz entspannt. Fast. Liegen doch Terrorwarnungen für den doch, im internationalen Vergleich, kleinen, nicht gross geschützten, dafür mitten, und ich meine wirkliche mitten in der Stadt gelegen Flughafen vor. Ausgegeben von den Amerikanern, für ihre Landsleute, nach Protesten der heimischen Politiker, wieder aufgehoben ... Afrika eben...
Doch so zwei, drei Gedanken verschwendet man dann schon an die Sicherheit, die der Schauspieler, der eigenen und dann aller anderen Menschen, die da wimmeln. Und konstatiert encore une fois, wie einfach das wäre. Wer bereit ist sich weg zu bomben, kann das überall machen. Weltweit.
Und doch, wir sind gebrannte Kinder. Wir waren mit unserer letzten Produktion „A tout jamais / Auf ewig“ in der Stadt, als Dschihadisten mitten in Ouaga, einige von uns waren in der Nähe, die anderen spielten im C.I.T.O., über dreissig Menschen töteten und unzählige schwer verletzten. In der Folge konnten wir die vorhergesehene Tournee nicht antreten. Und heuer, fand an der praktisch gleichen Stelle wieder ein Attentat statt. Von Reisen in den Norden wird strikt abgeraten. Die fanatisierten Schwerverbrecher sind weiter im Vormarsch und aktiv.

Die erste Akklimatisierungsphase ist abgeschlossen. Mit allem was dazu gehört. Die ersten Erkältungen, der erste Durchfall, das erste Magenbrummen und Stimmbänder wie Schmirgelpapier. Was Wunder, die Temperaturen sind gegen 39 Grad, leichter Wind und nächtens keine wirkliche Abkühlung. Dazu eine Anopheles, die sehr aktiv ist. Wir sind alle Antibrumm brumm brumm.
Und wir haben das erste Brakina (Bier aus BF) unter den zwei alten, grossen Baobabs vis-à-vis der Theaterstätte, die, die unsre sein wird, getrunken. Den Nachthimmel von Ouaga genossen. Diese Stadt, die nicht touristisch erschlossen, kein Hipsterrefugium, dafür so grossartig und einmalig authentisch ist. Deren Herzschlag nach Diesel und Kohle riecht und deren Seele Sehnsüchte weckt und stillt. Ouagadougou, das Leben ist grösser als jeder Quadratmeter dieser Stadt. Und Ouaga ist verdammt gross.

Die Wiederaufnahme von Le Prix de l'Or ist, von den üblichen und ganz normalen Nebengeräuschen, bis heute, Tag der Première in Ouagadougou, gut angelaufen. Wie haben ja auch vorgesorgt. Das Stück, in Zürich noch mit viel deutscher Sprache und Dialekt angereichert, wir nun hier, ganz in französischer Sprache und viel Mooré, der meistgesprochen afrikanischen Sprache im Lande der Mossi, aufgeführt. Was für unsere Burkinabè Schauspielerinnen und Schauspieler kein Problem, für unserer Schweizer Akteure jedoch eine Herausforderung darstellt. Yel ka ye, oder wie die Burkinabès sagen: pas de problem. Wir sind professionell. Wir sorgen uns ja auch täglich um unsere Gesundheit, nehmen die Malariaprophylaxe ernst und trinken Gin Tonic. Mit Youki Tonic, versteht sich.

Le Prix de l'Or 2017, Ouagadougou

Und doch wir haben ein Problem. Ein grosses, ein beschissenes, eines das wir lösen müssensollten. Doch das Tafelgeschirr ist längst kaputt. Sollen wir versuchen zu retten was zu retten ist und gute Miene zum bösen Spiel machen? Schauspielern ohne auf der Bühne zu stehen.? Oder schleimen, oder die Faust im Rucksack machen? Ach die schönen Euphemismen, wenn man in Tat und Wahrheit Chräble, Bise Spöize möchte. Wenn man sich nicht unterkriegen lassen will. Wenn man, weil man nicht in Ouagadougou zu Hause ist, vorsichtiger und umsichtiger agiert. Weil man als Produzenten immer das grosse Ganze (inklusive die monetäre Situation) im Focus haben muss.

Also, das Problem:

Wie geht man mit einem Autor um, dessen Ego (nach aussen) einmal um die ganze Welt und noch viel mehr gross ist? Der einen Anwalt per SMS sprechen lässt, der uns öffentlich angeschwärtzt hat (die Nummer geht immer, die bösen Europäer beuten die armen Afrikaner aus), der droht und Forderungen stellt, die selbst im Reich des Absurden absurd sind? Der sich benimmt, als hätte er ein Stück Welttheater geschrieben – hat er aber nicht – er hat halbherzig seinen Auftrag, der er von uns erhalten hat erfüllt, und dessen Stück wir grosszügig, das stimmt, adaptiert haben. Der 85% aller Einnahmen einfordert. Der droht, die heutige Aufführung verbieten zu lassen? Der sein Stück, was nicht dasjenige ist, dass wir aufführen werden, bei der Autorenurheberschaft deponiert hat, wir als Auftragsteller, dieses Stück nie physisch oder elektronisch erhalten haben? Und wir haben ihn entlöhnt, besser als jede andere Arbeit für diese Kreation. Aber was heisst schon sein Stück? Haben wir, als die Geldgeber und –sucher, die wir ja sind, doch die Themen gesetzt und die Figuren entwickelt. Weil von Anfang kommuniziert wurde, dass es eine gemeinsame – der Autor aus Burkina Faso und die Autorin aus der Schweiz – Arbeit sein wird.

Wie kommt man aus so einer kafkaesken Geschichte raus? Klar, man könnte ebenfalls drohen, mit einem Anwalt auffahren, aber wozu? Schnäbiherzeigen ...
Wir wissen es noch nicht genau.
Wir haben einen Schlachtplan, Ideen und die Hoffnung auf ein Happy End. Nicht mit diesem Männchen, aber für uns und unsere Schauspieler, Techniker und Freunde vor Ort.

Es lebe der kulturelle Austausch. Es lebe die Erfahrung. Es lebe das Theater. Dass, wir wissen es, leider nicht immer die besten Stücke schreibt, die schreibt das Leben.

A suivre!













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