Dienstag, 24. Oktober 2017

Le Prix de l’Or! – Premiere Ouaga mit tiefer Einschlafquote

--> Und dann irgendwann, ist es soweit. Wir haben allem Unbill getrotzt. Sacre bleu! Heilandtunner, Himmelarsch! Die Premiere steht kurz vor der Tür. Das Bühnenbild ist eingerichtet (Dank an Issa und seinem Team), das Licht steht (Mamadou hat einmal mehr einen guten Job gemacht), der Ton brummt (Veredique macht’s möglich) der Gradin ist geputzt (Team CITO). Die Plätze für die Journalistinnen und Journalisten (Kommunikation Augusta Palenfo) sind reserviert. Mücken tanzen im Scheinwerferlicht, Heugümper der grösseren Art sturzfliegen herum. Die Schauspielerinnen und Schauspieler entspannen sich individuell. Mit Singen, Muskeln aufwärmen, in die Weite schauen, die Requisiten ordnen.
Noch ist die Bühne sanft ausgeleuchtet, Einlasslicht. Das Bühnenbild – wir befinden uns draussen im Karacho einer Mine – präsentiert sich einiges authentischer hier im C.I.T.O., als in der Strenge des Kulturmarktes in Zürich. Die abgefackten, gnadenlos dem Harmattan und dem Poussière ausgesetzten nackten Wände, der unebene, terracottasandige Boden, die verstaubten Vorhänge, das Unperfekte als Norm, der eindringende Strassenlärm, bellende Hunde, ein plärrendes Kind, die perfekte Kulisse für unser Stück.

Zwei Stunden vor der Premiere 2017 Ouagadougou
Und unser Machtkampf mit dem Autor? Noch eine Stunde bis zur Premiere. Auf der diplomatischen Ebene ist Funkstille. Aber hatten wir je eine diplomatische Ebene? Wtf auch immer, die Kommunikationsdrähte, respektive die SMS, in denen uns des Autoren Winkeladvokat beschuldigt und ultimativ verlangt, dass wir diesen 85%-der-Einnahmen-gehen-an-den- Autor-Vertrag endlich unterzeichnen müssen, glühen. Unser Produzent vor Ort, rät davon ab, irgendetwas zu unterschreiben (was wir auch nicht im Sinn haben). Dasselbe meint unsere Kommunikationsverantwortliche. Die Schauspielerinnen aus Burkina Faso halten sich nobel zurück, die Männer sprechen Drohungen aus (der muss aufpassen, Ouaga kann sehr klein sein ...). Der Verantwortliche des Theaters ist entgegen seinen Gewohnheiten nicht vor Ort. Nicht auffallen, dann kann ich auch nicht reinfallen ... Konstantin Wecker.

Wir spekulieren darüber, ob er an die Premiere kommt oder nicht? Wird er es wagen und wie werden wir uns verhalten? Unsere Kommunikationsverantwortliche stellt klar, dass sie diesen kleinen Scheisser nicht reinlassen wird. Punkt. Eine gewisse Unruhe macht sich breit. Bei unseren täglichen Fahrten durch die Stadt haben wir verdächtig wenige Plakate unseres Stückes gesehen. Hat er sie abreissen lassen? Würde er so etwas tun? Nein.
Doch er hat. An den grossen Boulevards wurden Plakate entfernt. Aha. Er soll auch per SMS propagieren, uns zu boykottieren. Aha. 

Hier wurden sie nicht abgehängt - Plakate made in BF, Le Prix de l'Or
Und dann steht er da mit seinem Advokaten. Draussen auf der Strasse, vor dem Theater. Der Regisseur, die Kommunikationsverantwortliche und der Produktionsleiter stehen dazu. Der Advokat versucht gezielt Provokationen zu platzieren, was ihm teilweise gelingt. Heureka. Zum Glück bin ich nicht vor Ort, meine Contenance wäre innert Sekunden geschmolzen, mein Testosteronspiegel in die Höhe geschnellt.
Worte fallen und dann senkelt ihn unsere grossartige Augusta Palenfo (Kommunikation. Spricht Klartext, davon dass wir heute diese Premiere spielen werden und NICHTS uns davon abhalten wird. Punkt. Dass er unsere Arbeit zu respektieren hat und verdammt nochmal wir Theater für unser Publikum machen, und wir keine Zeit mit seinen kleinkrämmerischen Aktivitäten verbringen wollen. (Zwischenbemerkung in Klammern: Augusta Palenfo ist eine Wallküre, an ihr ist alles gross und sie überragt alle an dieser Runde beteiligten Männer um mindestens einen Kopf).
Diese kleine Szene wird dann später, das wissen der Regisseur, die Kommunikationsverantwortliche und der Produktionsleiter zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dazu führen, dass die drei wegen Beleidigungen und Drohungen vom Winkeladvokaten verklagt werden ... A suivre.

Nach dem Sturzflug sanft im CITO gelandet, Heugümper
Die Premiere, Toitoitoi und 1000 Kaurimuscheln geworfen,  geht dann ohne Zwischenfall über die Bühne. Das Rhythmus holpert etwas, kleine Textunsicherheiten sind festzustellen, falls man den Text kennt ..., aber ansonsten entfaltet Le Prix de l’Or seine komödiantischpolitische Qualität. Ein Ensemble auf der Bühne, dass vor Energie strotzt und leidenschaftlich gerne Theater macht. Die Zuschauer sind begeistert auch speziell davon, dass im Stück viel und oft en langues, en Mooré (Hauptsprache in Burkina Faso) gesprochen wird. Dazu muss man wissen, dass selten Stücke in afrikanischen Sprachen gespielt werden. Praktisch alles was es in Ouaga zu sehen gibt, wird in französischer Sprache vorgetragen. Das hat einerseits mit hohen Übersetzungkosten zu tun, anderseits ist die Schreibweise, sagen wir wild ... und genügend qualifizierte Übersetzer_Innen sind rar. Trotzdem macht sich leise ein Bewusstsein für die eigene(n) Sprache(n) breit. Wir mit unserer Sprachsensibilität im Lande können und müssen das unterstützen und fördern. Unbedingt.
„Das in eurem Stück Mooré gesprochen wird, das ist sehr gut. Das auch die Weissen en langues sprechen ist noch besser. Ich werde für euch Werbung machen und es allen erzählen!“ Faso, stadtbekannt und seines Zeichens der beste Reiter in ganz Ouagadougou.
 Das Publikum schätzt den Witz und den kritischen Ansatz über den Goldhandel. Niemand findet es „weisch, äs isch mir chli  z’pädagogisch“, wie einige Zuschauer, in Zürich befanden.
Von einem Klischee spricht gar niemand. Das Stück mit 1’30“ (einer Stunde, dreissig Minuten) an der oberen Grenze für hiesige Verhältnisse, schliesslich ist es auch um 20 Uhr noch beinahe 30 Grad warm, wird goutiert und die Einschlafquote ist im tiefen einstelligen Bereich.

„Als ich ins Theater kam, hatte ich Hunger, weil ich nichts gegessen habe. Aber dann habe ich den Hunger vergessen, so gut ist das Stück.“ Zuschauer
„Gratulation, das war sehr, sehr gut. Wirklich sehr gut. Ich habe so viel gelacht, das ist gut.“ Zuschauerin

Das Premiere Büffet, zähe mit kleinem gefüllten Salzgebäck und dieselbe Variante noch in Süss ist razfaz verputzt, die Sucrerie (Süssgetränke) und Bier getrunken. Die Journis machen ihren Job und interviewen unsere Stars während parallel die Requisiten zusammengeräumt und versorgt werden. Morgen wird ja weitergespielt, ausser ...

A suivre ...

Nachtrag. Wir sind uns dann noch in die Arme gefallen und haben uns gratuliert. Wir sind kollektiv!
Die Nacht  in den Hotelzimmern war heiss und der Schlaf war noch unterwegs. Das Gedankenkarusell drehte sich, dhttp://www.pasdeprobleme.org/theater/afür lachte ein kleiner Mond am Himmel.


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