Noch ist die Bühne sanft
ausgeleuchtet, Einlasslicht. Das Bühnenbild – wir befinden uns draussen im
Karacho einer Mine – präsentiert sich einiges authentischer hier im C.I.T.O.,
als in der Strenge des Kulturmarktes in Zürich. Die abgefackten, gnadenlos dem
Harmattan und dem Poussière ausgesetzten nackten Wände, der unebene,
terracottasandige Boden, die verstaubten Vorhänge, das Unperfekte als Norm, der
eindringende Strassenlärm, bellende Hunde, ein plärrendes Kind, die perfekte Kulisse
für unser Stück.
Zwei Stunden vor der Premiere 2017 Ouagadougou |
Und unser Machtkampf mit dem Autor? Noch
eine Stunde bis zur Premiere. Auf der diplomatischen Ebene ist Funkstille. Aber
hatten wir je eine diplomatische Ebene? Wtf auch immer, die Kommunikationsdrähte,
respektive die SMS, in denen uns des Autoren Winkeladvokat beschuldigt und
ultimativ verlangt, dass wir diesen 85%-der-Einnahmen-gehen-an-den-
Autor-Vertrag endlich unterzeichnen müssen, glühen. Unser Produzent vor Ort,
rät davon ab, irgendetwas zu unterschreiben (was wir auch nicht im Sinn haben).
Dasselbe meint unsere Kommunikationsverantwortliche. Die Schauspielerinnen aus
Burkina Faso halten sich nobel zurück, die Männer sprechen Drohungen aus (der
muss aufpassen, Ouaga kann sehr klein sein ...). Der Verantwortliche des Theaters
ist entgegen seinen Gewohnheiten nicht vor Ort. Nicht auffallen, dann kann ich
auch nicht reinfallen ... Konstantin Wecker.
Wir spekulieren darüber, ob er an
die Premiere kommt oder nicht? Wird er es wagen und wie werden wir uns
verhalten? Unsere Kommunikationsverantwortliche stellt klar, dass sie diesen
kleinen Scheisser nicht reinlassen wird. Punkt. Eine gewisse Unruhe macht sich
breit. Bei unseren täglichen Fahrten durch die Stadt haben wir verdächtig
wenige Plakate unseres Stückes gesehen. Hat er sie abreissen lassen? Würde er
so etwas tun? Nein.
Doch er hat. An den grossen
Boulevards wurden Plakate entfernt. Aha. Er soll auch per SMS propagieren, uns
zu boykottieren. Aha.
Hier wurden sie nicht abgehängt - Plakate made in BF, Le Prix de l'Or |
Und dann steht er da mit seinem
Advokaten. Draussen auf der Strasse, vor dem Theater. Der Regisseur, die
Kommunikationsverantwortliche und der Produktionsleiter stehen dazu. Der
Advokat versucht gezielt Provokationen zu platzieren, was ihm teilweise
gelingt. Heureka. Zum Glück bin ich nicht vor Ort, meine Contenance wäre innert
Sekunden geschmolzen, mein Testosteronspiegel in die Höhe geschnellt.
Worte fallen und dann senkelt ihn
unsere grossartige Augusta Palenfo (Kommunikation. Spricht Klartext, davon dass
wir heute diese Premiere spielen werden und NICHTS uns davon abhalten wird.
Punkt. Dass er unsere Arbeit zu respektieren hat und verdammt nochmal wir
Theater für unser Publikum machen, und wir keine Zeit mit seinen
kleinkrämmerischen Aktivitäten verbringen wollen. (Zwischenbemerkung in
Klammern: Augusta Palenfo ist eine Wallküre, an ihr ist alles gross und sie
überragt alle an dieser Runde beteiligten Männer um mindestens einen Kopf).
Diese kleine Szene wird dann später,
das wissen der Regisseur, die Kommunikationsverantwortliche und der
Produktionsleiter zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dazu führen, dass die drei
wegen Beleidigungen und Drohungen vom Winkeladvokaten verklagt werden ... A
suivre.
Nach dem Sturzflug sanft im CITO gelandet, Heugümper |
Die Premiere, Toitoitoi und 1000 Kaurimuscheln geworfen, geht dann ohne
Zwischenfall über die Bühne. Das Rhythmus holpert etwas, kleine
Textunsicherheiten sind festzustellen, falls man den Text kennt ..., aber
ansonsten entfaltet Le Prix de l’Or seine komödiantischpolitische Qualität. Ein Ensemble auf der Bühne, dass vor Energie strotzt und leidenschaftlich gerne Theater macht. Die
Zuschauer sind begeistert auch speziell davon, dass im Stück viel und oft en langues, en
Mooré (Hauptsprache in Burkina Faso) gesprochen wird. Dazu muss man wissen, dass selten Stücke in afrikanischen Sprachen gespielt werden. Praktisch alles was es in Ouaga zu sehen gibt, wird in französischer Sprache vorgetragen. Das hat einerseits mit hohen Übersetzungkosten zu tun, anderseits ist die Schreibweise, sagen wir wild ... und genügend qualifizierte Übersetzer_Innen sind rar. Trotzdem macht sich leise ein Bewusstsein für die eigene(n) Sprache(n) breit. Wir mit unserer Sprachsensibilität im Lande können und müssen das unterstützen und fördern. Unbedingt.
„Das in eurem Stück Mooré gesprochen wird, das ist sehr gut. Das auch die Weissen en langues sprechen ist noch besser. Ich werde für euch Werbung machen und es allen erzählen!“ Faso, stadtbekannt und seines Zeichens der beste Reiter in ganz Ouagadougou.
Das Publikum schätzt den Witz und
den kritischen Ansatz über den Goldhandel. Niemand findet es „weisch, äs isch
mir chli z’pädagogisch“, wie einige
Zuschauer, in Zürich befanden.
Von einem Klischee spricht gar
niemand. Das Stück mit 1’30“ (einer Stunde, dreissig Minuten) an der oberen
Grenze für hiesige Verhältnisse, schliesslich ist es auch um 20 Uhr noch
beinahe 30 Grad warm, wird goutiert und die Einschlafquote ist im tiefen
einstelligen Bereich.
„Als ich ins Theater kam, hatte ich Hunger, weil ich nichts gegessen habe. Aber dann habe ich den Hunger vergessen, so gut ist das Stück.“ Zuschauer
„Gratulation, das war sehr, sehr
gut. Wirklich sehr gut. Ich habe so viel gelacht, das ist gut.“ Zuschauerin
Das Premiere Büffet, zähe mit
kleinem gefüllten Salzgebäck und dieselbe Variante noch in Süss ist razfaz
verputzt, die Sucrerie (Süssgetränke) und Bier getrunken. Die Journis machen
ihren Job und interviewen unsere Stars während parallel die Requisiten
zusammengeräumt und versorgt werden. Morgen wird ja weitergespielt, ausser ...
A suivre ...
Nachtrag. Wir sind uns dann noch in
die Arme gefallen und haben uns gratuliert. Wir sind kollektiv!
Die Nacht in den Hotelzimmern war heiss und der Schlaf war noch unterwegs. Das Gedankenkarusell drehte sich, dhttp://www.pasdeprobleme.org/theater/afür lachte ein kleiner Mond am Himmel.
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