Samstag, 21. April 2012

Perspektivenwechsel Zürich - Ouagadougou

So! Ich bin wieder eingewohnt. Wohl oder üblig. Habe mich wieder daran gewöhnt, dass alle Strassen goudrone (geteert) sind. Es hat aber lange gedauert und eine Restsehnsucht oder schon fast ein Heimweh treibt mich noch immer umher ... Selbstverständlich. Ich esse alles bedenkenlos. Nix schälen, kochen, liegen lassen. Und meine alte Matratze, die längst ersetzt werden sollte, finde ich nach zwei Monaten Schaumstoffliege (nicht Fliege, sondern Liege) der billigsten Art, einfach prächtig. Selbstverständlich.
Noch nicht ganz eingewöhnt haben ich mich an gewisse Preise. Hier in der unbestrittenen ville capitale des Grossgeldes. Fand ja ein Mineralwasser schon vor Ouaga unverschämt teuer, jetzt finde ich es nur noch absurd. Und für einen nicht mal passablen Café im Dolder Grand (Grand, bitteschön?) bezahlt man 6 Franken irgendwas, ohne Schoggälädli. Das sind eben Marktpreise und der Markt richtet es eben, heisst es. Dafür erfreue ich mich am süssen Nass. Immer frisch, immer und jederzeit aus jeder Mischbatterie. Selbstverständlich ist das nicht.


Überhaupt noch nicht - und wahrscheinlich gar nie - selbstverständlich finde ich die vielen schwarzen fetten Karossen, die sich ja jedes Jahr noch dem beliebten Bonusausschütten vermehren wie Karnickel im Feld, und die jeden Tag aufs Neue in die Goldcity kurven. Hereinbrechen von aussenvor, gut erkennbar an ihren  - wieso vergolden sie die Dinger eigentlich nicht, wäre doch bloss konsequent und passt perfekt zum schwarz Lack, den getönten Scheiben und den schwarzen geheizten elektronischen Ledersitzen? - Nummernschildern aus dem Dumpingsteuerparadisli. Von einem Geschäft zu einem anderen Geschäft, von einer Transaktion zu einer weiteren Umlagerung. Junge Schnösel, alte Säcke, die Masseratimercedesaudiporsches unter den Ärschen und einer Attitüde, die seinesgleichen sucht. Zum Abwatschen. Nein, die Welt gehört nicht ihnen, ich gebe meine nicht her.
Der Rest ist Schweigen.
Dafür und selbstverständlich immer wieder besorgte Blicke auf die Subsaharazone. Mali, quo vadis? Das hätte doch gar nicht wahr werden dürfen. Da gibt's ja gar keine richtige Grammatik für. Nur grosse Augen, offener Mund und Staunen. Da zeuselten ein paar unzufriedene Militärs und bevor sie richtig die Sau rauslassen, ist der Präsi ATT schon abgehauen und das Fernsehen müssen sie gar nicht besetzen, da kann Soldat reinspazieren und Hauruck, un coup d'Etat, le Putsch ist Tatsache. Und alle reiben sich die Hände; das ging aber fix und ringe. Und jetzt wie weiter? Und während alle mal ein bisschen den Mund offen halten, sind einzelne Tuaregstämme und anverwandte religiösmotivierte Gruppentruppen längst auf dem Vormarsch. Denn die nachkolonialistischen Grenzen sind für les Homme bleu fliessend, waren es immer schon geografisch gesprochen, die ideologischen Übergänge leider auch. Während die Tuareg seit den Tagen der Unabhängigkeitserklärung (1960 für einen eigen Staat und oder um ein Automomistatus kämpfen - schliesslich waren sie vor den Kolonialisten da und nie hat man sie als Partner erst genommen, drängeln sich die ultrareligiösen Scharia-Wiedereinführer noch nicht ganz so lange an den Machttopf in Westafrika. Eine unsägliche Plage sind sie gleichwohl. Jetzt ist das Land gespalten, viele Menschen sind auf der Flucht und Timbuktu, die Stadt der Zeugnisse vielleicht für viele Jahre unterjocht ...

Sevrage - Sexstreik gegen den Krieg - funktioniert nicht überall ...
Ein Staatsstreich, wie einfach ist das denn, mögen sich die Militärputschisten in Guinea Bissau gesagt haben und griffen ebenfalls zu den Waffen und den Präsidenten an. Und wie es jetzt weitergeht, weiss wohl niemand so genau. Vielleicht als einzige nicht überrascht sind all die Drogenbosse, die in diesem Miniland alles was europäische  Suchtnasen so reinpfimpfen, verschneiden und gen Norden schieben. Business as usual, das ist so sicher wie die Atlantiquewellen an den Stränden lecken. Und vergessen wir den Sudan nicht. Und Nigeria ist ja auch nicht ohne. L'afrique bouge und es macht den Anschein, als ob nach all den vielen Unabhängigkeitsfeiern (60 Jahre, 50 Jahre etc.) und vielen alten Seilschaften und vielen dicken, fetten Kontos, die Karten nochmals neu gemischt werden. Die Jungen sind vernetzt, lesen, informieren sich, sie wollen auch ein Stück vom Kuchen. Und sie wissen: Afrika ist kein armer Kontinent. Afrika ist viel mehr als Gold wert. Leider schreien die Radikalen meist am lautesten und gehen auch über Leichen. Und eigenständige, kreative, gemässigte Kräfte haben oft nicht die gleiche Anziehungskraft wie die Schnellrezeptler (das kennen wir ja in unserem Land auch, oder?). Und die Demokratie ist ja eine komplizierte Aufgabe.  Was wirklich Bestand haben wird, wird sich weisen. On verra.

Abgespielt - Sevrage 
Und wir machen unbeirrt Theater. Respektive haben gemacht. Denn Sevrage ist nun abgespielt. Erfolgreich wie man uns versichert hat, das heisst jede Vorstellung ausverkauft, das heisst 20 x die Hütte voll à 250 bis 300 Zuschauende. Man rechne. Einzelne Frauen sollen sich Sevrage drei und mehr mal angeschaut haben ...  Das ist doch was.
Wir versuchen nun die Tournee ins Reine zu bringen. Was aber angesichts der Lage, wie beschrieben, nicht einfach sein wird. Mali, Benin, Niger und Burkina Faso das sind oder wären die Stationen.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und noch sind wir zuversichtlich.  Schliesslich hat es letzte Woche in Ouagadougou geregnet, richtig heftig und ausgiebig. Wenn das kein gutes Zeichen ist.
Wir bleiben dran und ich werden euch in unregelmässigen Abständen auf dem Laufenden halten. Und wenn ich dann wieder in Ouaga bin - und das bin ich bestimmt wieder - werde ich das und weglassen und wieder regelmässige berichten.  A tantôt.

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